Bündnispartner vorgestellt: Orchester des Wandels
Klimaschutz? Musik in unseren Ohren!
erschienen im Parents-Newsletter #45 (Dezember 2025)
In unserer Bündnispartner-Reihe haben wir es diesmal mit Musiker*innen aus deutschen Berufsorchestern zu tun. Sie spielen für den Klima-, Natur- und Artenschutz. Klingt gut. Deshalb hat sich Jörg Weißenborn vom Newsletter- Team mit Detlef Grooß unterhalten, der als Bratschist am Mannheimer Nationaltheater arbeitet und im Kernteam bei den Orchestern des Wandels aktiv ist.

Foto: Deutsche Meeresstiftung
Frage: „Orchester des Wandels“ bedeutet nicht EIN Orchester. Es ist ein privater Zusammenschluss engagierter Musiker*innen aus zahlreichen Orchestern. Welche sind das zum Beispiel? Wie ist dieser Zusammenschluss entstanden und welche Idee steckt dahinter?
Antwort: Die Situation ist ja folgende: Die Menschheit rennt sehenden Auges in die größte Katastrophe ihrer Geschichte – und es wird einfach viel zu wenig getan. Es wird geredet, hier und da passiert schon etwas, aber eben lange nicht genug. Wir haben uns mit ein paar tollen Kollegen gefragt: Was können wir mit unseren Mitteln tun? Und wenn wir was tun können, sehen wir es als unsere Verantwortung an, auch zu handeln. Wir haben tatsächlich sehr viel gefunden, im Grunde vier Tätigkeitsfelder, die wir die vier Säulen unserer Arbeit nennen:
- Das Unterstützen von Umweltprojekten, in unserem Fall die Wiederaufforstung von Wäldern, in denen auch das Holz wächst, aus dem unsere Instrumente sind.
- Wir kümmern uns um unseren eigenen CO2-Fußabdruck, d. h. wir entwickeln Nachhaltigkeitskonzepte für Orchester, Opern- und Konzerthäuser.
- Wir nehmen das Thema Klima- und Umweltschutz in unseren Kulturauftrag, d. h. entwickeln Konzert- und Performance-Formate, die das Thema inhaltlich bearbeiten. Dabei arbeiten wir oft mit Wissenschaftler*innen zusammen, spielen an ungewöhnlichen Orten usw. Das Ziel ist immer, die Emotion der Musik zu nutzen, um unsere Fakten tiefer und auf ganz anderer Ebene an die Leute zu bringen.
- Schließlich versuchen wir, ein riesiges Netzwerk in die Gesellschaft hinein aufzubauen, um sich mit allen zusammenzutun, die das Thema auch voranbringen wollen. Das sind Politiker, Künstler, Wissenschaftler, Organisationen usw.
Bei uns sind zur Zeit 45 deutsche Profi-Orchester aus der ganzen Republik Mitglied, zudem gibt es im Ausland auch Bemühungen, sich diesem Modell anzuschließen.
Frage: Kannst du uns etwas über eure Organisationsstruktur erzählen?

Antwort: Organisiert sind wir als gemeinnütziger, eingetragener Verein. Im Vorstand, der im Kern aus fünf Personen besteht, arbeitet auch Markus Bruggaier, der vor über zehn Jahren in Berlin die Idee hatte, mit der Staatskapelle Berlin Klimakonzerte zu veranstalten. Auf seine Initiative hin wurde dann auch unser deutschlandweit tätiger Verein gegründet.
Die Arbeit in diesem Team empfinde ich als außergewöhnlich. Vielleicht habe ich hier überhaupt erst verstanden, wozu ein Team fähig ist, wenn wirklich alle gut zusammenarbeiten. Wenn jeder tut, was er am besten kann, und alle sich zutiefst wertschätzen. Ego spielt hier keine Rolle, nur gemeinsam die Sache voranzubringen… eine beglückende Erfahrung!
Frage: Ihr habt gerade euer fünfjähriges Bestehen gefeiert. Was waren aus deiner Sicht die bisher wichtigsten oder spannendsten Projekte?
Antwort: Die Liste wäre lang, aber besonders wichtig finde ich das „Araponga“-Projekt: Das Holz, aus dem alle unsere Bögen sind, Fernambuk (Paubrasil Echinata), ist akut vom Aussterben bedroht. Deswegen haben wir ein Wiederaufforstungsprojekt auf den Weg gebracht, in dem die ursprüngliche Biodiversität auf Flächen in der Mata Atlantica in Brasilien wieder hergestellt wird. Das ist teuer und kompliziert, weil es dort nur noch wenige Flächen gibt, die renaturiert werden können. Aber nach 250 Jahren Nutzung dieses Holzes ist es ein gutes Zeichen, dass wir Musiker uns darum kümmern.
Frage: Und dann ist da noch euer „Rückenwind“- Projekt…

Antwort: Genau. In diesem Wiederaufforstungsprojekt in Madagaskar haben wir ein sehr gut laufendes empowerment-of-women-Projekt gestartet, in dem Frauen in der Gesellschaft dort darin unterstützt werden, eine Tätigkeit zu lernen wie Nähen, Gemüseanbau oder Kleintierhaltung, mit der sie auf nachhaltige Weise den Lebensunterhalt für ihre Familie bestreiten können. Man kann diese Frauen mit einer Patenschaft unterstützen.
Wenn sie so leben, müssen sie keinen Wald abholzen, um für ein Jahr ein Reisfeld drauf zu machen, das dann verkarstet. Da ist Entwicklung direkter Waldschutz und gut für die Menschen vor Ort. Flankiert wird das mit Bildung und Gesundheitsversorgung.
Es ist immer toll, zu sehen, dass man dort mit relativ wenig Geld so viel Gutes tun kann.
Frage: Gibt es noch weitere Partner, mit denen ihr kooperiert?
Antwort: Wir haben sehr viele Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Der Verein Eben!Holz, die Helmholtz- Klimainitiative, der WWF, der Zoo Zürich, WCS, Save Brasil, lokale Umweltbehörden, das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, das Bundesamt für Naturschutz usw. usf.
Frage: Musik ist ja vielen Menschen wichtig. Meint ihr, dass darüber auch solche zu erreichen sind, die sich bisher wenig oder gar nicht mit der Klimakrise auseinandergesetzt haben?
Antwort: Genau das ist unser Ziel. Ich habe den Eindruck, dass das ganz gut funktioniert. In unseren Konzerten sind Menschen, für die das als Thema eher nicht so präsent ist, aber auch Menschen, die sich dafür interessieren, aber noch nie im Konzert waren. So erschließen wir für beide Themen neues Publikum.
Frage: Auf eurer gut frequentierten Webseite kann man sich einen „Grünen Leitfaden für Nachhaltigkeit im Konzertbetrieb“ und einen „GreenTouring-Leitfaden“ herunterladen. Was steckt dahinter?
Antwort: Der grüne Leitfaden ist ein Versuch, best-practice-Beispiele dazu zu geben, wie man eine Tour nachhaltiger gestalten kann. Wir haben versucht, alles zusammenzutragen, was man da besser machen kann, sind aber auch immer weiter dabei, neue Konzepte zu entwickeln. Besonders in den Fokus geraten ist die Frage, wie man ein vertretbares Verhältnis zwischen Emissionen und Kulturauftrag herstellt, z.B. durch längere Präsenzzeiten an einem Ort.
Frage: Ihr habt auch schon Auszeichnungen bekommen. Welche waren das und wofür?

Antwort: Letztes Jahr waren wir sehr glücklich, gleich mit den beiden größten Preisen ausgezeichnet zu werden, die es in dem Bereich gerade gibt: dem „Wirkmächtig“- Preis von Culture4Climate und der Deutschen Kulturpolitischen Gesellschaft, sowie mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Das zeigt, dass unsere Arbeit gesehen wird, und das freut uns.
Frage: Wo seid ihr aktuell dran und was plant ihr für die nähere Zukunft?
Antwort: Gerade arbeiten wir an einer erheblichen Erweiterung des „Araponga“-Projektes, denn es konnten glücklicherweise neue Flächen gefunden werden, die sogar relativ groß sind.
Außerdem prüfen wir gerade, wie wir unser Engagement in den rumänischen Karpaten-Urwäldern intensivieren können. Die letzten Urwälder Europas zu schützen ist eine besonders wichtige Aufgabe.
Frage: Welche Unterstützung wünscht ihr euch? Wie kann man mit euch in Kontakt treten?
Antwort: Wir freuen uns immer über Spenden und Konzertbesucher. Alle unsere Projekte und Konzerte sind auf unserer Homepage. Wem unsere Arbeit gefällt, der kann auch Fördermitglied werden.
Kontakt: kontakt[AT]orchester-des-wandels.de
Herzlichen Dank für die vielfältigen Informationen und für euer Engagement!