Midwives for Future
erschienen im Parents-Newsletter #44 (Oktober 2025)
Sie setzen sich für eine klimasensible Gesundheitsversorgung in der Hebammenarbeit ein. Die Midwives for Future sind vernetzt mit der interdisziplinären KLUG-AG "Rund um die Geburt" und Teil von Health for Future. Rike vom Newsletter-Team hat mit Jana Hartwig gesprochen.
Frage: Wie und wann kamt ihr auf die Idee, die Midwives for Future zu gründen?
Antwort: Die internationale Hebammenvereinigung hat schon 2014 dazu aufgerufen, dass Hebammen ihre günstige Position bei den Familien nutzen, um zu informieren und klimafreundliche Handlungsalternativen voranzubringen, aber auch besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Die Berufsverbände haben einzelne Projekte angestoßen, aber eine übergreifende und leicht zugängliche Aktionsgruppe von Hebammen ist erst Anfang 2023 entstanden.

Frage: Was sind eure Ziele?
Antwort: Natürlich möchten wir etwas tun, um den Klimawandel aufzuhalten, z. B. durch die maximale Reduktion von Lachgas zur angeblichen Schmerzerleichterung unter der Geburt. Wir möchten die Bedrohung für unsere Gesundheit durch die Klimakatastrophe verdeutlichen und gesunde Handlungsalternativen rund um die Geburt aufzeigen. Solche Veränderungen haben oft zusätzlich einen Benefit für die Gesundheit aller Beteiligten. Sie können das Leben erleichtern, glücklicher machen und zudem Kosten sparen.
Weiterhin möchten wir die Öffentlichkeit auf die besondere Belastung für Säuglinge und Schwangere durch die Folgen der Klimakrise aufmerksam machen. Durch die regelmäßigen Treffen stärken wir uns gegenseitig. Wir bleiben mit unserem Frust und unserer Angst nicht alleine, sondern tun etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft, in der wir leben. Am wichtigsten scheint aktuell die Öffentlichkeitsarbeit, damit das vorhandene Wissen möglichst weit verteilt wird. Politisch würden wir gerne Einfluss nehmen, aber da fehlen uns die Ressourcen.
Frage: Was bedeutet die Klimakrise speziell für Frauen, die schwanger sind?
Antwort: Aufgrund der veränderten Umweltbedingungen steigt das Risiko sowohl für einen frühen, aber auch einen späten Schwangerschaftsverlust bzw. für eine Frühgeburt durch die steigende Belastung für unseren Körper. Schwangerschaftsbeschwerden wie Wassereinlagerungen, Krampfadern, Schlafstörungen und Kreislaufbelastungen wie Fatigue (einer lähmenden Schwäche) und Schwindel nehmen zu. Hitze beispielsweise erhöht die Zahl von Diabetes bei Schwangeren; aber auch das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, der in lebensgefährlichen Krampfanfällen münden kann. Durch Hitze erhöht sich ebenfalls das Risiko, nach der Geburt an einer Depression zu erkranken.
Frage: Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Situation rund um die Geburt bzw. auf eure Arbeit aus?
Antwort: Die Klimakrise erschwert es einerseits, von der Tätigkeit als Hebamme leben zu können. Aufgrund des Geburtenrückgangs und der anstehenden Veränderungen im Gesundheitssystem geben gerade viele Kolleginnen ihre Tätigkeit als Hebamme auf. Insbesondere Beleghebammen können mit dem neuen Hebammenhilfevertrag, der am 1.11.2025 in Kraft treten soll, ihre Ausgaben dann nicht mehr begleichen. So wird die Versorgung der Familien rund um die Geburt stark beeinträchtigt.
Andererseits sind Hebammen aufgrund ihrer oft aufsuchenden Tätigkeit besonders anfällig für Schäden durch Extremwetterereignisse wie Stürme und Brände. Sie können sich schlecht gegen Hitze schützen, wenn sie den Familien spontan zur Hilfe kommen müssen. Die Schwangeren, die wir begleiten, werden durch die Klimakrise immer betreuungsbedürftiger, weil sie in einer schlechteren Verfassung sind. Durch hierzulande neue Infektionen wie Zika steigt die Bedrohung für die Ungeborenen, im Mutterleib geschädigt und lebenslang beeinträchtigt zu werden.
Besonders leiden allerdings die Neugeborenen und Säuglinge jetzt schon unter der Hitze. Die Hebammen berichten von untröstlichen und sehr unruhigen Kindern, die permanent gestillt werden möchten. Das bringt viele Mütter an den Rand der Belastbarkeit.
Frage: Welche Projekte oder Aktionen habt ihr bisher angestoßen?
Antwort: Wir haben regelmäßig die allgemeinen Klimaschutz-Aktionen unterstützt und auf den letzten beiden Kongressen des Deutschen Hebammenverbandes 2023 und 2025 Beiträge veröffentlicht.
Im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft haben wir Poster präsentiert und gemeinsam diskutiert. 2025 haben wir in dieser Gesellschaft zur Gründung der Sektion "Nachhaltigkeit" beigetragen. An den aktuellen Hitzeschutzempfehlungen haben wir aktiv mitgewirkt.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt im Kampf gegen den Einsatz von Lachgas, weil so der fortschreitenden Erderwärmung direkt entgegengewirkt werden kann.
Sehr konstruktiv war die Zuarbeit für das Fraunhofer Institut, das unter der Kampagne "Ambulant nachhaltig" Leitfäden für verschiedene Einrichtungen des Gesundheitswesens entwickelt hat. So haben Hebammen nun ein Gerüst, mit dem sie ihre Tätigkeit nachhaltig gestalten können. Nachdem wir lange gemeinsam mit Pädiater*innen und Gynäkolog*innen an einem Positionspapier gearbeitet haben, veröffentlichten wir im Frühjahr 2025 unter großem Kraftaufwand ein eigenes Positionspapier.
Wir haben breit zur Mitzeichnung aufgerufen und freuen uns auf weitere Unterschriften.
Frage: Zu Jahresbeginn 2026 erscheint ein Lehrbuch zur klimasensiblen Hebammenarbeit, das von drei eurer Mitstreiterinnen beim DeGruyter-Verlag herausgegeben wird...
Antwort: Ja, genau, darauf freuen wir uns sehr. Wenn Anfragen aus der Allgemeinheit oder der Hebammengemeinschaft kommen, stellen wir unsere erarbeiteten Materialien zur Verfügung und hoffen, dass der Klimaschutz so vorangetrieben wird.
Frage: Was für Erfahrungen habt ihr bei euren Aktionen gemacht?
Antwort: Die Reaktionen waren unterschiedlich. Traurig machen uns abwehrende Reaktionen von Hebammen. Es erreichen uns aber in der Mehrzahl unterstützende Nachrichten und interessierte Anfragen. Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Trägern hat uns motiviert. Unsere Fortbildungsangebote werden leider nicht wirklich nachgefragt. Der politische Wandel hat uns voll getroffen und wir überlegen genau, was wir noch machen können und was sich einfach nicht lohnt. Solange unsere eigenen Kinder mit unserer ehrenamtlichen Arbeit zurechtkommen, machen wir aber auf jeden Fall weiter.
Frage: Was habt ihr als Nächstes vor?
Antwort: Uns stabilisieren. Aufgrund unserer großen Arbeitsbelastung haben wir unsere Aktivitäten gerade auf ein Minimum reduziert. Darüber hinaus wollen wir auf dem wissenschaftlichen Parkett stärker sichtbar werden. Ende Oktober waren wir z. B. mit drei Beiträgen an einem Online-Fachtag der evangelischen Hochschule Berlin für Hebammen beteiligt.
Ansonsten freuen wir uns gerade sehr, weil einige von uns nächstes Jahr beim Internationalen Hebammen-Kongress in Lissabon mit Postern und Vorträgen vertreten sein werden. Es ist großartig, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz endlich Raum bekommen und Wertschätzung erfahren können.
Frage: Welche politischen Maßnahmen sind aus Eurer Sicht notwendig?
Antwort: Die Energiewende muss weiter vorangetrieben werden, anstatt sie zu schwächen. Der Ausbau des ÖPNV und eine Absicherung des Bildungs- und Gesundheitssystems sind nötig. Gefühlt fließt gerade kaum Geld in die Zukunft unserer Kinder – wo soll das hinführen? Für eine widerstandsfähige Gemeinschaft brauchen wir Gerechtigkeit und verlässliche Strukturen sowie Vertrauen ins die Entscheidungsinstanzen.
Frage: Wie können interessierte Menschen mit euch Kontakt aufnehmen?
Antwort: Entweder über unseren Instagram Account oder per Mail:
- Midwives bei Instagram
- midwives[at]healthforfuture.de