Mit der SwitchCoal-Studie auf der COP28

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aus Parents-Newsletter #31 (Januar 2024)

„KLIMASCHUTZMASSNAHMEN SIND PROFITABEL!“

Autoren*innen der SwitchCoal-Studie hatten auf der COP28 in Dubai die Gelegenheit, persönlich mit Delegierten aus über 40 Ländern zu sprechen und ihre Studie vorzustellen. Ziel der Gespräche war es, den Delegierten zu vermitteln, dass 90 % aller weltweiten Kohlekraftwerke bis 2030 hochprofitabel durch Wind-Solar-Batterie-Kraftwerke ersetzt werden können, was den Delegierten weitgehend unbekannt war. Erschreckend war zudem, dass die Dringlichkeit der Klimakrise praktisch keinem der Delegierten – auch nicht der deutschen Delegation – bewusst war.

SwitchCoal-Studie weckt ökonomisches Interesse

Die SwitchCoal-Studie (s. a. P4F-Newsletter #30) zeigt, dass weltweit die Umstellung der meisten existierenden Kohlekraftwerke auf erneuerbare Kombi-Kraftwerke bereits heute hochprofitabel ist. Dies liegt zum einen am starken Preisrückgang für Windräder, Solarmodule und Großbatterien in den letzten Jahren, zum anderen an
den hohen Kosten für Kohlegewinnung und -transport. Die Kostendifferenz wird in den kommenden Jahren mit der Weiterentwicklung der erneuerbaren Technologie
noch weiter zunehmen und damit erneuerbare Energien noch rentabler machen. Dabei sind die vermiedenen Kos- ten für Schäden an Umwelt und Gesundheit in der Studie noch gar nicht mitberechnet. Keinem der Delegierten (!) war die beschriebene Kostensituation klar, was entschiedenes Handeln in den Ländern verzögert. Der detaillierte Blick auf die Kraftwerkstandorte ihrer Heimat mithilfe des mitgelieferten SwitchTools hat einige Delegierte überzeugt.

Das SwitchCoal-Team
Das SwitchCoal-Team: Ingo Stuckmann, Tafadzwa Kurotwi, Jochen Wermuth und Solvejg Nasert auf der COP28, Dubai 2023 [Foto: Thomas Ladwig]

Die Klimakrise erfordert sofortiges Handeln

Keinem Delegierten war bewusst, dass mit Überschreitung der 1,5-Grad-Marke
mindestens fünf der neun planetaren Grenzen mit hoher Wahrscheinlichkeit überschritten werden und es aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten zu einer Erderwärmung von ca. 3 Grad kommen würde (s. Johan Rockström). Überwiegend wurden auch 2 oder sogar 2,5 Grad Erderwärmung noch als akzeptable Grenzwerte und die Überschreitung der
1,5-Grad-Marke als wenig relevant angesehen. Das globale 2030 Treibhausgasemissionsziel wird lt. aktueller Vorhersagen um weit mehr als 22 Millionen Tonnen pro Jahr
verfehlt werden. Davon könnten – und müssten – allein 10 Millionen Tonnen THG-Emissionen durch schnellstmögliche Umstellung der globalen Kohlekraftwerke auf 100 % erneuerbare Energien eingespart werden. Diese Botschaften gilt es 2024 im Vorfeld der Wahlen und der
im November in Baku, Aserbaidschan, stattfindenden COP29 zu verbreiten.

Die Sprache der Welt ist das Geld

Eine wichtige Erkenntnis aus den Gesprächen auf der COP28 lautet: Die Sprache, die die Welt wirklich versteht, ist die des Profits. Und diese Erkenntnis können und sollten wir nutzen, um Politik und Wirtschaft stärker mit ins Boot zu holen. Dies gilt umso mehr, als bisher die offen auf dem Tisch liegenden Fakten zu den Folgen einer sich weiter erhitzenden Erdatmosphäre weltweit bei Weitem nicht den erforderlichen Handlungsdruck auslösen. Die
SwitchCoal-Studie liefert eine gute Basis, um auch über die finanziellen Vorteile der sozialökologischen Transformation zu sprechen.

Stromerzeugungskosten
Abb. 1: Kostenentwicklung von Kohlekraft und Strom aus erneuerbaren Energien 2013-2021

Bei uns mit der Sprache der Ökonomie die Energiewende vorantreiben

Durch intensive und breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit sollten wir den Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen, Wirtschaftsvertretern und der Bevölkerung aufzeigen, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien, kombiniert mit Energieeinsparmaßnahmen, nicht nur
dringend geboten, sondern auch finanziell vorteilhaft ist.

Folgende Maßnahmenpakete sollten adressiert werden:

  1. Forderung an die Landes- und Bundespolitiker, alle 58 deutschen Kohlekraftwerke vor 2030 durch ein Bündel von Maßnahmen überflüssig zu machen: beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien, Abbau der Hemmnisse bei der Windenergie, verstärkter Einsatz von Batteriespeichern und Wärmepumpen, Aufbau von Wärmenetzen der 5. Generation (kalte Nah-/Fernwärme), Sektorenkopplung und intelligente Stromnetze – nicht hingegen durch neue Gaskraftwerke.
  2. Kampagnen und Bündnisse gegen Fehlinformationen zu Wasserstoffheizungen und gegen Investitionen in Wasserstoffnetze für die Wärmeversorgung.
  3. Kampagnen und Bündnisse gegen den weiteren Ausbau der in den meisten Fällen von Unwissen oder fossilen Interessen geleiteten, nicht wirtschaftlich und zukunftsfähig zu betreibenden alten Fernwärmenetze (1. bis 4. Generation). Fokus und Förderung ggf. auch kleiner Wärmenetze der 5. Generation. Sicherstellung, dass die anstehenden kommunalen Wärmeplanungen die Potenziale der Umweltwärme bestmöglich nutzt, dadurch kostengünstiges und damit sozialverträgliches Heizen und Kühlen realisiert wird.
  4. Forderung an die Bundesregierung, auch den Ländern des globalen Südens dabei zu helfen, ebenfalls vor 2030 den Switch von Kohle auf erneuerbare Energien durchzuführen (Kontakt: info[at]switchcoal.org).

Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren, in gezielt eingesetzte energetische Sanierungen sowie in Heizungen, die über Wärmepumpen oder Wärmenetze der 5.
Generation
versorgt werden, sind hochprofitabel. Die Abbildung unten zeigt, dass wir auf dem Weg zur Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien sind.

Wasserstoff ist für die Wärmewende keine Option. Studien zeigen eindeutig, dass klimaneutral erzeugter grüner Wasserstoff aufgrund des schlechten Wirkungsgrades und hoher Investitionen noch für Jahrzehnte knapp und sehr kostenintensiv bleiben wird. Daher werden sich Investitionen in kleinteilige Wasserstoffnetze und neue Gaskraftwerke als Fehlinvestitionen erweisen, die zu hohen Belastungen für Verbraucher und Steuerzahler
führen und notwendige Investitionen in anderen Klimaschutzbereichen behindern.

Die Vorteile der Energie- und Wärmewende sichtbar machen

Wie wäre es – im Hinblick auf die anstehenden Wahlen – mit entsprechenden Slogans auf Plakaten und in sozialen Medien die Mythen der Klimaschutzbremser zu entkräften Beispielsweise könnte der Zusammenhang von günstigem Strom aus Windkraftanlagen und der Sicherheit von Arbeitsplätzen dargestellt werden. Oder man könnte mit Infoständen, Infomaterial und einer gut verständlichen Plattform zum Energiesparen und zu erneuerbaren Energien dazu beitragen, dass die Verbraucher den absehbaren Kostensteigerungen für fossile Energien entgehen. Damit kann zugleich einer Verstärkung der Polarisierung in unserer Gesellschaft entgegengewirkt werden. Steigende Energiekosten belasten in gleicher Weise die öffentlichen Haushalte an vielen Stellen. Sofortmaßnahmen zur Energieeinsparung insbesondere in Dämmung und Wärmeversorgung sind auch hier ökonomisch sinnvoll.

Nettostromerzeugung
Abb. 2: Quelle: Frauenhofer ISE

Fazit: Die Glocke läuten für die Ökonomie

Das vorhandene Wissen zur Klimakrise führt bekanntermaßen bisher nicht zu ausreichendem Handeln. Was aber zieht, ist der Blick auf den Geldbeutel. Die gute Nachricht: Klimaschutzmaßnahmen sind inzwischen (oft hoch-) profitabel. Wir können daher mit wirtschaftlichen Vorteilen argumentieren. Diese müssen jetzt an die breite Öffentlichkeit, an die Politik auf allen Ebenen und an Wirtschaftsvertreter und Privatpersonen gebracht
werden. Wir können dazu beitragen, durch zielgruppengenaue Öffentlichkeitsarbeit die ökonomischen Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen „an die große Glocke“ zu
hängen.

Solvejg Nasert und Holger Jahn (Goodfuture & SwitchCoal)
Annemarie Schiemann und Wolfgang Schöllhammer (P4F)