Gutes Essen für alle in den Planetaren Grenzen

Landwirtschaft für unsere Zukunft

Gutes Essen für alle in den planetaren Grenzen

aus Parents-Newsletter #31 (Januar 2024)

Die Landwirtschaft muss Milliarden von Menschen ernähren und verletzt dabei massiv die planetaren Grenzen. Was sind die entscheidenden Hebel, um gutes Essen für alle planetenverträglich zu produzieren?

Die Landwirtschaft ist eine bahnbrechende Kulturleistung der Menschheit, die viele Milliarden Menschen ernähren kann. Heute steht sie von vielen Seiten unter Druck. Die Umwelt- und Klimabedingungen für den Ackerbau werden u.a. durch die Erderhitzung immer schwieriger1.

Kleinbäuer*innen stehen weltweit in Konkurrenz zu Agrarindustriekonzernen. Im globalen Süden werden sie von ihrem Land vertrieben, damit dort z.B. Zucker für den Export erzeugt werden kann. Insgesamt sind die Perspektiven und die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft so schlecht, dass selbst in reichen Ländern die Selbstmordrate in diesem Berufszweig2 überdurchschnittlich hoch ist.

Aber die Landwirtschaft ist nicht nur Opfer...

...sondern trägt selbst auch zu diesen Problemen bei. So ist sie für knapp 25% der weltweiten Treibhausgase verantwortlich.

Neben der Erderhitzung gibt es aber noch vier weitere planetare Grenzen3, bei deren Überschreitung die Landwirtschaft eine wichtige, wenn nicht sogar die Hauptrolle spielt:

  • Die Grenze biogeochemische Kreisläufe4 wird durch die Überdüngung mit Stickstoff und Phosphor weit überschritten.
  • Durch Lebensraumzerstörung, Überdüngung und Einsatz von Pestiziden ist die Landwirtschaft ein Hauptverursacher des Artensterbens (Grenze Unversehrtheit der Biosphäre5).
  • Die Entwaldung (Landnutzungsänderung6) wird vorwiegend durch die Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen vorangetrieben (Stichwort Abholzung des Regenwaldes, um Soja als Tierfutter anzubauen).
  • 70% des Süßwasserverbrauchs7 gehen auf den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln zurück.

Trotz alledem werden die Landwirtschaft und das gesamte Ernährungssystem der Aufgabe nicht gerecht, gutes Essen für alle bereitzustellen. Bis zu 2,5 Milliarden Menschen8 leiden an Hunger oder Unterernährung, während gleichzeitig mehr als eine halbe Milliarde Menschen krankhaft fettleibig sind.

Pestizideinsatz auf einem Getreideacker an der Donau
Pestizideinsatz auf einem Getreideacker an der Donau                                                    Foto: A. Jacobi

Was ist also zu tun?

Ein Großteil der Landwirtschaft ist auf die Tierhaltung ausgerichtet. Diese beansprucht weltweit fast 80% der landwirtschaftlichen Nutzfläche9. Auf einem Drittel der weltweiten Ackerfläche wird Tierfutter anstatt Nahrungsmittel10 für Menschen angebaut. Dies ist nicht besonders effizient, denn auf dem Weg vom Acker über das Tier zum Teller geht viel verloren: Im Durchschnitt werden sieben pflanzliche Kalorien benötigt, um eine tierische 
Kalorie zu erzeugen.

Eine Umstellung11 auf eine rein pflanzliche Ernährung hätte daher unmittelbare, messbare Auswirkungen auf die planetaren Grenzen:

  • Die für Nahrungsmittelerzeugung genutzte Fläche kann um ca. 76% reduziert werden. Die freigewordene Fläche kann z.B. für Wiederaufforstungen und die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft genutzt werden.
  • Die Treibhausgasemissionen der Nahrungsmittel können sich um 49% verringern.
  • Die Überdüngung nimmt um ca. 49% ab.
  • Der Süßwasserverbrauch geht um ca. 20% zurück.
  • Da alle diese Grenzüberschreitungen maßgeblich für das Artensterben verantwortlich sind, wäre ein Ausstieg aus der Tierhaltung in Verbindung mit einer weltweiten Aufforstung auch eine der wirksamsten Strategien gegen den Verlust der Biodiversität.

Insgesamt ist es möglich, sogar 10 Milliarden Menschen12 zu ernähren und trotzdem innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben – mit einer starken Reduktion des Konsums tierischer Produkte und einigen anderen Maßnahmen.

Aber können wir so einfach auf die Tierhaltung verzichten?

Für eine gesunde Ernährung sind wir nicht auf tierische Produkte angewiesen: Menschen, die sich vegan ernähren, sind im Durchschnitt gesünder13 und z.B. seltener übergewichtig.

Auch für den Nährstoffkreislauf in der Landwirtschaft brauchen wir keine Nutztiere, nicht einmal im Ökolandbau, wo keine chemisch-synthetischen Düngemittel verwendet werden dürfen. Die flüssigen Bestandteile aus dem Gärprozess von Biogasanlagen können nämlich hochwertige Gülle ersetzen14. Es gibt inzwischen einige biovegane15 Betriebe, die ohne tierischen Dünger auskommen.

Globale Landnutzung für Nahrungsmittel
Globale Landnutzung für Nahrungsmittel
Quelle: übernommen und übersetzt aus: ourworldindata.org/land-use

 

Wie schaffen wir es, den Tierbestand in der Landwirtschaft zu reduzieren?

Hier spielen viele Ansatzpunkte zusammen. Im Folgenden wird nur Deutschland betrachtet.

Veganes Essen
Veganes Gericht
(Ula Zarosa, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Zum einen muss an der Nachfrageseite angesetzt werden. Für die rund 16 Millionen Esser*innen in der Gemeinschaftsverpflegung16 (Schulen, Seniorenheime etc.) sollte das Angebot weitgehend auf hochwertiges und gut zubereitetes pflanzliches Essen umgestellt werden. So empfiehlt die Planetary Health Diet17 maximal 100g rotes Fleisch und 200g Geflügelfleisch pro Woche. Weitere mögliche Maßnahmen wären Info-Kampagnen und ein generelles Werbeverbot für Tierprodukte. Außerdem sollte die Politik pflanzliche Nahrungsmittel durch Abgaben und Steuern bevorzugen statt sie zu benachteiligen (wie es heute z.T. der Fall ist): Die Mehrwertsteuer für pflanzliche Produkte könnte abgeschafft und für tierische Produkte auf 19% erhöht werden.

Reduktionspotenzial in der Landwirtschaft durch Umstellung auf pflanzliche Ernährung
Reduktionspotenzial in der Landwirtschaft durch Umstellung auf
pflanzliche Ernährung; schraffierter Bereich: mögliche Reduktion
Quelle: nach Daten von Poore, J. and Nemecek, T. (2019). „Reducing food’s environmental
impacts through producers and consumers“ in : Science 360 (6392), 987-992.

 

Sozial gerechter als eine Steuerung des Konsums über den Preis wäre aber die Einführung eines allgemeinen Öko-Budgets19, das für alle gleich ist.

Zum anderen muss sich dazu passend auch die Produktionsseite verändern. Den landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung müssen Beratung und finanzielle Unterstützung für den Umstieg auf pflanzliche Produkte angeboten werden. Dafür können u.a. die 13 Milliarden Euro an Subventionen verwendet werden, die in Deutschland zurzeit jährlich in die Tierindustrie fließen. Damit die Umstellung auch wirklich gelingt, müssen zudem regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut bzw. gestärkt werden: Um z.B. Brotgetreide zu verarbeiten, braucht es genügend Mühlen und Bäcker vor Ort.

Dies ist ein gemeinsamer Kraftakt, der nur gelingen kann, wenn alle Betroffenen den nötigen Umbau mitgestalten.

Außerdem...

Dem Ziel „gutes Essen für alle innerhalb der planetaren Grenzen“ kommen wir damit schon ein gutes Stück näher. Aber natürlich braucht es noch einiges mehr: u.a. eine gerechte Bodenpolitik und ein Ernährungssystem, das Ernährung als Daseinsvorsorge anstatt als Profitgelegenheit begreift und für ein faires und gesichertes Einkommen für die Beschäftigten in der Landwirtschaft sorgt. Die Ansätze, die es dafür bereits gibt, wie das Ackersyndikat20 oder die Solidarische Landwirtschaft21, benötigen mehr gesellschaftliche und staatliche Unterstützung. Gleichzeitig muss die Macht der Agrar- und Lebensmittelkonzerne eingedämmt werden.

 

Quellen:

Weiterführende Links: