Handabdruck schlägt CO2-Fußabdruck

Handabdruck schlägt CO2-Fußabdruck

erschienen im Parents-Newsletter #29 (November 2023)

Mit der Idee des CO2-Fußabdrucks wird das Klimaproblem seit 20 Jahren individualisiert. Beim Klima-Handabdruck hingegen werden die großen, strukturverändernden Hebel umgelegt.

Ich kann das Fahrrad dem Auto vorziehen, mich vegan ernähren, eine Wärmepumpe einbauen und auf Flugreisen verzichten. Ich kann mich aber auch (zusätzlich) für eine Verbesserung der Radinfrastruktur oder für ein tägliches veganes Gericht in der Betriebskantine einsetzen, Vorträge zu Wärmepumpen organisieren oder von der Politik eine Flugbenzinsteuer einfordern. Im ersten Fall verringere ich meinen persönlichen CO2-Fußabdruck und muss doch erkennen, dass damit die Klimaneutralität nicht erreichbar ist. Im zweiten Fall beeinflusse ich das Verhalten möglichst vieler Menschen, vergrößere damit meinen Klima-Handabdruck.

Der CO2-Fußabdruck - ein Geniestreich der Öl- und Kohleunternehmen

Die Öl- und Kohlefirmen entwickelten seit 1979 Strategien, um die Öffentlichkeit von den ihnen bekannten potentiell katastrophalen Folgen ihres Wirtschaftens abzulenken.

Phase 1: Augen verschließen (1965-1980). Warnungen der Wissenschaft wurden ignoriert oder negiert.

Phase 2: Zweifel säen (1980-2000). Die immer umfangreicheren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimagefährdung wurden in Zweifel gezogen, Institutionen und Wissenschaftler*innen diskreditiert, beispielsweise mithilfe bestellter Gegengutachten.

Phase 3: Ablenkung, Greenwashing und verschobene Verantwortung (2000 bis heute). Der Ölkonzern BP kam auf die geniale Idee, über die Verbreitung des CO2-Fußabdrucks die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen.

Detaillierte Infos gibt es bei Perspective Daily.

Die nachhaltige Handlungsoption ist oft noch nicht die Standardoption, sie ist seltener verfügbar, teurer oder schwieriger erreichbar. Ernst Ulrich von Weizsäcker hat das als „schiefe Ebene“ bezeichnet. Sie zeichnet sich durch strukturelle Nachteile für nachhaltiges Verhalten aus. In der öffentlichen Diskussion stehen jedoch „die kleinen Schritte, die jede*r beitragen kann,“ im Vordergrund, medienwirksam inszeniert von der fossilen Wirtschaft, die damit von ihrem eigenen klimaschädlichen Verhalten ablenkt (siehe Kasten). Der Fußabdruck bietet sich vielleicht an, die Größe des Problems ein wenig greifbarer vor sich zu sehen. Gleichzeitig kann er schnell demotivierend wirken und zu Resignation führen. Eine wichtige Aufgabe der Klimagerechtigkeitsbewegung ist es deshalb, klimabewussten Menschen aufzuzeigen, dass es die systemischen Veränderungen sind, die um ein Vielfaches wirksamer sind, ohne die wir nicht die Kurve kriegen.

Wie vergrößere ich meinen Handabdruck
Abb.: Christian Rautmann, P4F Mainz

Wie vergrößere ich meinen Handabdruck?

Um meinen Handabdruck zu vergrößern, kann ich auf verschiedenen Ebenen einsteigen:

  • gesellschaftlich: selbst gesellschaftliche Strukturen nachhaltig transformieren (z. B. Lastenfahrradverleih initiieren)
  • politisch: Entscheidungsträger*innen auffordern und bewegen, gesellschaftliche Strukturen nachhaltig zu transformieren
  • Bildung: andere Menschen dazu befähigen, gesellschaftliche Strukturen nachhaltig zu transformieren

Welchen Einstieg und welchen Themenbereich ich wähle, hängt von meinen persönlichen Stärken und von meinen Interessen ab. Brot für die Welt und Germanwatch haben einen Handabdrucktest erstellt, der spielerisch zeigt, wie der eigene Handabdruck vergrößert werden kann.

Infos – Ideen – Aktionen

Ein guter Einstieg in das Thema ist das Buch „Hoch die Hände – Klimawende“ von Gabriel Baunach. Germanwatch bietet ein breites Angebot an Informationen, Beispielen, Materialien, Bildungskonzepten und Aktionsmöglichkeiten auf seiner Internetseite. Gemeinsam mit Netzwerk n und dem Karlsruher Transformationszentrum hat Germanwatch die #climatechallenge gestartet, ein transformatives Bildungsangebot für wirksamen Klimaschutz in ganz Deutschland (siehe Kasten).

 

Wolfgang Schöllhammer, OG Mainz

 

#climatechallenge
Klimaschutz mit Hand und Fuß selbst gestalten lernen

Die von Germanwatch, Netzwerk n und dem Karlsruher Transformationszentrum gestartete #climatechallenge läuft bis Ende 2025. Geschult werden 600 Multiplikator* innen, die das Konzept des Handabdrucks in ihre Schulen, Hochschulen, Kommunen und Kirchengemeinden tragen sollen.

Die #climatechallenge wird in einem fünfteiligen Workshop durchgeführt:

  • Impuls-Workshop: Die Teilnehmenden lernen die Grundlagen der Klimakrise und den CO2-Fußabdruck kennen.
  • 30-tägige Footprint-Challenge: Die Teilnehmenden verringern ihren CO2-Fußabdruck in einem Selbstexperiment.
  • Reflexions-Workshop: Die Teilnehmenden reflektieren ihre Challenge und lernen den Handabdruck kennen.
  • Handprint-Challenge: Die Teilnehmenden setzen sich mit eigenen Projekten aktiv für klimagerechte Strukturen ein.
  • Abschluss-Workshop: Die Teilnehmenden tauschen Erfahrungen aus und suchen nach Möglichkeiten für ihr Engagement nach der #climatechallenge.