Klimaschutz sozial gestalten
Die Verweise in [ ] beziehen sich auf den Koalitionsvertrag von 2025 zwischen CDU, CSU und SPD: "Verantwortung für Deutschland"
Beim Klimaschutz muss die Gesellschaft mitgenommen werden. Das geht tatsächlich nur, wenn Klimaschutz Menschen nicht finanziell überlastet. Allerdings sollte dieser Anspruch nicht zu einer Ausrede werden, um notwendigen Kilmaschutz erst gar nicht anzugehen. Denn es gibt genügend Vorschläge, wie Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden kann – und kein Klimaschutz ist erst recht nicht sozial gerecht!
CDU/CSU und SPD haben in ihren Wahlprogrammen noch Pläne zum sozialen Ausgleich bei Klimaschutzmaßnahmen präsentiert. Die SPD kündigte an: „Wenn ab 2027 die europäische Regelung [zur CO2-Bepreisung] in Kraft tritt, werden wir durch geeignete Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene (zum Beispiel Klimageld) dafür Sorge tragen, dass niemand überfordert wird“. Die CDU/CSU kündigt im Wahlprogramm an: „Um Verbraucher und Unternehmen schnell und effizient mit einem sozialen Ausgleich zu entlasten, schaffen wir einen Klimabonus.“
Im Koalitionsvertrag wurde jedoch kein adäquater sozialer Ausgleich mehr vereinbart. Stattdessen sollen Entlastungen überwiegend durch Abschreibungsmöglichkeiten gewährt werden, von denen Wohlhabende stärker profitieren. Maßnahmen, von denen auch weniger wohlhabende profitieren würden, fehlen oder sind von Verteuerungen betroffen, wie das Deutschlandticket. Außerdem soll teures klimaschädliches Verhalten subventioniert werden – auch hier sind Wohlhabende die größeren Nutznießer. Angeblicher Klimaschutz dient sogar als Begründung für Abschreibungsgeschenke für Erben! Insgesamt zeigt sich also ein sozial ungerechtes Bild bei der Klimapolitik.
Deutschlandticket – öffentlicher Verkehr
Das Deutschlandticket konnte ursprünglich für 9 Euro pro Monat erworben werden. Mittlerweile kostet das Deutschland-Ticket € 58,- pro Monat. Ab 2029 soll der Preis schrittweise und ‚sozialverträglich‘ erhöht werden [S 27, Z 883 f]. Wirklich sozialverträglich wären aber nur sozialgestaffelt günstigere Preise – nicht erhöhte. Das Deutschlandticket führt zu einer erheblichen Einsparung von CO2-Emissionen in einer Größenordnung von 4,2 bis 6,5 Mio. t CO2 pro Jahr. Unter Berücksichtigung von weiteren Umwelteffekten durch zum Beispiel die Luftschadstoff- und Lärmbelastung lässt sich eine Reduktion der externen Kosten des Autoverkehrs in einer Größenordnung von 2,4 bis 3,7 Mrd. Euro beziffern.
Wer Klimaschutz marktwirtschaftlich organisieren will und sonst behauptet Verursacher an Kosten beteiligen zu wollen, sollte Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln an diesen Einsparungen beteiligen und das Deutschlandticket günstiger anbieten.
Quelle:
- Report: Faktencheck Deutschlandticket: Eine Bestandsaufnahme der empirischen Evidenz
- Studie zeigt: Deutschlandticket trägt sich finanziell selbst
Strompreise
Strom soll günstiger werden [S 30, Z 957 f] und [S 47, Z 1500 ff]. Das steht im Widerspruch zu der Absicht, Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Mitteln erreichen zu wollen. Wenn der marktwirtschaftliche Ansatz ernst gemeint wäre, müssten alle Energien teurer werden. Was allerdings für günstigeren Strom spricht, ist, dass so E-Autos und der Betrieb von Wärmepumpen günstiger wird.
Von dieser Maßnahme profitieren die Menschen am meisten, die viel Strom verbrauchen. Also Reiche eher als Arme. Auch von der Industrie wird Druck genommen, Energie einzusparen.
Pendlerpauschale, Dienstwagen- und Dieselprivileg
Die Pendlerpauschale soll erhöht werden [S 46, Z 1483 ff]. Kritik daran wird von der Union mit dem Argument abgetan, dass die Pendlerpauschale unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel gewährt wird. Allerdings ist die Steuerersparnis durch die Pendlerpauschale bei hohen Einkommen höher. Menschen mit geringem Einkommen haben von der Erhöhung der Pendlerpauschale fast nichts.
Allein durch das Diesel- bzw. Dienstwagenprivileg entgehen dem Staat jährlich 9,5 bzw. 6 Milliarden Euro. Beides fördert unnötigen motorisierten Verkehr mit besonders klimaschädlichen Fahrzeugen. Bei einer Abschaffung könnten 3,7 bzw. 1,1 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch kritisiert:
„Während die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgibt, klimaschädliche Subventionen zu überprüfen, kündigt sie gleichzeitig die Erhöhung einer der klimaschädlichsten und ungerechtesten Subventionen im Verkehrsbereich an. Die Erhöhung der Pendlerpauschale ist ein fossiles Steuergeschenk für Besserverdienende – und ein politisches Armutszeugnis. Auch vom Dienstwagenprivileg profitieren vor allem einkommensstarke Haushalte. Jede weitere in die Länge gezogene Überprüfung der Subventionen können Union und SPD sich von Vornherein sparen, denn die notwendigen Reformen liegen auf der Hand. Um gleichzeitig das Klima zu schützen und Milliarden einzusparen, müssen alle klimaschädlichen Subventionen so schnell wie möglich abgeschafft werden. Sonst verspielen Union und SPD jede Glaubwürdigkeit.“
Quelle: Pendlerpauschale, Dienstwagen- und Dieselprivileg: Deutsche Umwelthilfe fordert Union und SPD auf, klimaschädliche Subventionen abzuschaffen
Auch wenn die Förderung von Elektroautos durch die Kfz-Steuerbefreiung [S 7, Z 206] und die höhere Förderung von E-Fahrzeugen als Dienstwagen [S 7, Z 203 f], den Umstieg zur E-Mobilität fördern mag, profitieren hiervon erneut insbesondere Menschen mit hohem Einkommen und Unternehmen.
Fliegen
Das extrem klimaschädliche Fliegen soll günstiger werden. Regionalflughäfen sollen weiter unterstützen werden. Für den Flugverkehr soll Steuern, Gebühren und Abgaben sinken [S 27, Z 855 ff]. Die Ampel hatte geplant eine Kerosinsteuer einzuführen, aber dies Absicht nicht umgesetzt und stattdessen die Luftverkehrsteuer erhöht. Diese Erhöhung der Luftverkehrsteuer soll zurückgenommen werden.
Deutlich zu kritisieren ist auch, dass die Hälfte der nationalen Einnahmen aus dem luftfahrtinduzierten europäischen Emissionshandel (ETS 1) zur Förderung der Marktimplementierung von Sustainable Aviation Fuel (SAF) verwendet werden soll [S 27, Z 858]. Eigentlich soll der Emissionshandel klimaschädliches Verhalten teurer machen. Die Koalition will mit den Einnahmen des Emissionshandels wiederum klimaschädliches Verhalten subventionieren, denn die Umstellung auf klimafreundliche Kraftstoffe müsste die Luftfahrtindustrie bei angemessener CO2-Bepreisung sowieso angehen. So wird der Emissionshandel pervertiert, weil die gezahlten Steuern als Subventionen zurück ins System gegeben werden. Spätestens hier verliert die Behauptung die Union wolle Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Mitteln (dem Emissionshandel) erreichen, jegliche Glaubwürdigkeit. Und auch hier ist die soziale Schieflage klar: Es profitieren erneut diejenigen am meisten, die sich häufiges Fliegen leisten können.
Energetische Sanierungen ererbter Immobilien
Die Koalition plant: „Die Kosten für energetische Sanierungen ererbter Immobilien werden künftig von der Steuer absetzbar“ [S 24, Z 757 f].
Es ist richtig energetische Sanierungen zu fördern, aber dass Erben besonders gefördert werden sollen und durch diese Abschreibungsförderung dann Menschen mit hohen Einkommen besonders profitieren zeigt, dass Klimaschutz mehr zur Umverteilung von unten nach oben genutzt wird, als dass es wirklich um Emissionsminderungen geht. Menschen, die nicht erben, können sich heutzutage sowieso schon oft keine Immobilie mehr leisten. Für sie wird es so jedenfalls noch schwer, Eigentum zu erwerben. Wer zur Miete wohnen muss, ist noch mehr benachteiligt. Die besitzenden Vermieter und Kapitalgesellschaften haben wenig Interesse an einer energetischen Sanierung, da sie die Nebenkosten auf die Mieter umlegen können und eine Sanierung damit nur auf Kosten ihrer Rendite geht. Auch hier profitieren also wohlhabende Erben von der Förderung, während Mieter:innen durch steigende CO2-Abgaben belastet werden ohne daran etwas ändern zu können.
Fazit
Im Koalitionsvertrag habe es die Parteien nicht geschafft Pläne für sozialgerechten Klimaschutz zu formulieren. Im Gegenteil: Immer wieder wird angeblicher oder tatsächlicher Klimaschutz als Anlass für Umverteilung von unten nach oben instrumentalisiert.
Vorgesehene Entlastungen sind nicht sozial ausgeglichen geplant, sondern sollen Wohlhabende überproportional entlasten. Klimaschädlichen Subventionen werden nicht abgebaut, sondern teilweise noch ausgeweitet – von diesen werden im Wohlhabende stärker profitieren. Steigende CO2-Abgaben belasten weniger wohlhabende dagegen überproportional, da sie oftmals keine Wahl haben, als in schlecht gedämmten Mietwohnungen zu leben, der Zugang zu e-Mobilität für sie nicht erschwinglich ist und der öffentliche Nahverkehr teuer und in vielen Regionen schlecht ausgebaut ist. Die Koalition plant also nicht nur zu wenig ambitionierten Klimaschutz, sie geht dabei auch noch sozial ungerecht vor und gefährdet damit unabdingliche Fortschritte beim Schutz unserer Lebensgrundlagen.