Energiewende-Bericht: Das Ende der Wende?

Energiewende-Bericht: Das Ende der Wende?

erschienen im Parents-Newsletter #43 (September 2025)

Am 15. September stellte Wirtschaftsministerin Reiche den mit Spannung erwarteten Monitoring-Bericht zur Energiewende vor. Mit Verweis darauf spricht sie von einem notwendigen „Update“ für das deutsche Stromsystem. Allerdings zieht sie aus dem Bericht die falschen Schlüsse. Mit „10 Schlüsselmaßnahmen“ will sie die Stromerzeugung an den aktuellen Netzausbau anpassen, statt den Modernisierungsstau im Stromsystem aufzulösen und damit zugleich seine Kosten zu senken, und sie will Subventionen für die Energiewende herunterfahren, z. B. für Wärmepumpen und kleine PV-Anlagen.

Den zukünftigen Stromverbrauch rechnet Reiche klein, damit sie den Ausbau der Erneuerbaren ausbremsen und zugleich auf dem Papier das 80-Prozent-Ziel für erneuerbaren Strom im Jahr 2030 einhalten kann. Ging die Ampel noch von einem zukünftigen Strombedarf von 750 TWh pro Jahr aus, sieht Reiche den Bedarf bei nur etwa 600 TWh. Sollten Elektromobilität und Wärmepumpen in den kommenden Jahren jedoch boomen, was aus klimatischer Sicht zwingend erforderlich ist, wird es in Deutschland an erneuerbaren Energien mangeln und Reiche kann auf ihre heiß geliebten Erdgaskraftwerke zurückgreifen. SPD-Fraktionsvize Armand Zorn sieht zudem die Gefahr, dass das Energiesystem in zehn Jahren die Wachstumsbremse der deutschen Wirtschaft sein könnte.

Reiche argumentiert gern mit der notwendigen Kosteneffizienz des Energiesystems. Das gilt jedoch nur für die Erneuerbaren. Für die geplanten neuen Erdgaskraftwerke hingegen werden allein für ihre Errichtung Milliarden an Subventionen notwendig sein und der aus teurem Erdgas erzeugte Strom wird die Preise deutlich in die Höhe treiben. Dazu Ann-Kathrin Büüsker im Deutschlandfunk: „Bei Erdgas ist die Kosteneffizienz also plötzlich nicht mehr so wichtig. Das riecht nach Ideologie!“

 

Weitere Stimmen 

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer:
„Mit den Schlüssen, die Frau Reiche aus dem Energiewende-Monitoring zieht, bürdet sie unserer Energieversorgung eine schwere Hypothek auf. Heute ist überdeutlich geworden, dass Bundeswirtschaftsministerin Reiche weiter auf die verkürzten Vorschläge der Gaslobby baut. Das Energiewende-Monitoring wäre die Chance, einen wissenschaftlich fundierten Rahmen für die Energiewende zu schaffen. Stattdessen hat die Ministerin die Empfehlungen des Gutachtens offenbar nicht sorgfältig gelesen und vertritt ihre vorgefasste Meinung. Was Frau Reiche mit ‚Planungsrealismus‘ meint, ist faktisch eine Ausbau-Bremse für die Erneuerbaren, der ‚technologieoffene Kapazitätsmarkt‘ ist ein Einfallstor für neue fossile Abhängigkeiten. Eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung gelingt nicht mit fossiler Überkapazität in Form von unzähligen Gaskraftwerken. CCS/CCU als Klimaschutztechnologie zu verkaufen ist brandgefährlich – und das angebliche ‚Subventionen senken‘ läuft in Wahrheit auf den Kahlschlag bei wichtigen Förderprogrammen hinaus, während fossile Beihilfen neu geschaffen werden sollen.“

Naturstrom-Chef Oliver Hummel in der FAZ:
„Am Ziel von 80 Prozent Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis 2030 festzuhalten und zugleich von einem deutlich niedrigeren Bedarf auszugehen, bedeutet das stillschweigende Eingeständnis, sektorenübergreifend – also inklusive Gebäude, Verkehr und Industrie – die Klimaschutzziele zu verfehlen.“ Er bemängelte auch, dass einerseits Subventionen überprüft und tendenziell zurückgefahren werden sollen, andererseits Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung propagiert würden, „die sich in Deutschland nicht ohne massive staatliche Unterstützung werden etablieren lassen“. Hier drohe, „zweierlei Maß angelegt zu werden“.

Jörg Staude (Klimareporter):
Die Gutachter von BET und EWI stellten bei der Vorstellung des Monitorings klar, es gehe ihnen nicht um eine "Neuausrichtung" oder ein "Zurückdrehen" der Energiewende oder gar einen "Rückfall" ins fossile Zeitalter. Es gehe darum, einige "Stellschrauben" zu verändern. Sie verwiesen beispielsweise in der Frage der Versorgungssicherheit allgemein auf die Notwendigkeit einer gesicherten Kraftwerksleistung.
Angesichts des Klimaneutralitätsziels warnt das Gutachten sogar ausdrücklich vor dem Einsatz von Erdgas zur Herstellung sogenannten kohlenstoffarmen Wasserstoffs. Dies könne zu weiteren Abhängigkeiten von fossilen Rohstoffen und CO2-Infrastrukturen führen.
Trotz der fehlenden gutachterlichen Vorlage nutzte die Bundeswirtschaftsministerin das Monitoring, um noch einmal ihre energiepolitische Haltung klarzumachen: Die Erneuerbaren reichten allein nicht aus, um das gesamte Energiesystem aufrechtzuerhalten.

Michael Kellner,  Sprecher für Energiepolitik von Bündnis 90/Die Grünen:
"Wir befürchten, Katherina Reiche will weiterhin die Energiewende abbremsen. Klimaschutz wird durch diese Regierung abgewickelt. Wir sehen eine Bremsspur beim Verbrenner-Aus genauso wie gezieltes Verzögern beim Klimaziel 2040, direkt auf Order des Bundeskanzlers. Klar ist: Der Strombedarf in Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, nicht zuletzt durch Rechenzentren, E-Autos und weiter elektrifizierte Produktion in der Industrie. Dafür braucht es günstigen, sauberen Strom. Der Ausbau der Erneuerbaren senkt die Preise am Markt. Je mehr Erneuerbare wir ausbauen, desto kleiner wird zudem der Bedarf an teuren Gaskraftwerken."

Weitere Informationen