Chemnitzer Energieversorgung am Scheideweg

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 3 Mai 2023
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Chemnitzer Energieversorgung am Scheideweg

Chemnitz, 7./10.5.2023. Update 18.12.2023. Update 9.1.2024

Die Chemnitzer Energieversorgung wie auch das ÖPNV Unternehmen CVAG  wird maßgeblich durch die mehrheitlich in kommunaler Hand befindliche "eins energie in sachsen" abgesichert. Die Gesellschafter, sowie das Unternehmen, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der Chemnitzer Oberbürgermeister ist, haben damit einen wichtigen Hebel in der Hand, die Treibhausgasemissionen der Stadt zu reduzieren, um das Pariser Klimaziel umzusetzen.

Leider setzt der energiepolitische Fahrplan von eins auf die falschen Technologien. Zudem ist er nicht Paris-kompatibel, denn eins energie strebt erst 2045 Klimaneutralität8 an - viel zu spät. Dabei gibt es Wege, sofort auf die richtigen Technologien zu setzen, was in einer Forschungsarbeit der TU Chemnitz nachgewiesen wurde7.

Die Forschungsarbeit befindet sich im Anhang des Blogartikels.

Wir erläutern die Arbeit in diesem Blog, und wie es eins energie besser machen kann als sie bislang plant, um der Stadt Chemnitz dabei zu helfen, das Pariser Klimaziel zu erreichen.

Update 9.1.2024: Die eins hat einige Pressemitteilungen, die wir hier als Quelle verwenden, gelöscht. Wir haben die Seiten von archive.org restaurieren lassen - und die Archivlinks eingefügt.

Welchen Weg schlägt eins energie ein?

Mit dem Ausstieg aus der klimaschädlichen und unflexiblen Braunkohleverbrennung, den der Versorger von 2029 auf 2023 bzw. 2024 vorgezogen hat, und an dem er trotz Energiekrise des Jahres 2022 festhielt1 , wurde grundsätzlich der richtige Weg eingeschlagen. Auch wenn Erdgasverbrennung in den neuen Gasmotoren klimaschädlicher sein kann als Braunkohleverbrennung, sofern die Leckagen von der Förderung bis zur Verbrennung zu groß sind2, haben die Gasmotoren den Vorteil, durch ihre Flexibilität Schwankungen fluktuierender erneuerbarer Energien ausgleichen zu können: Sind genug  Erneuerbare da, lassen sich die Gasmotoren - analog eines PKW-Motors -  stoppen, bzw. starten, wenn zu wenig erneuerbare im Netz sind. Bei Festbrennstoffkraftwerken (Kohle, Holz, Müll, Atom) geht das nicht. Außerdem können die Motoren möglicherweise in Zukunft auf klimafreundlichere Gase umgerüstet werden.

Leider setzt die eins Energie nun auf das falsche Pferd: Sie will 1  Holzheizkraftwerk und 1 Holzheizwerk bauen, die fast ganzjährig durchlaufen müssen8.

Pläne zum Holzheizkraftwerk hatte der Versorger 2018 bekannt gegeben5, zwischenzeitlich aus Kostengründen 2021 beerdigt6, und nun holt er sie wieder heraus. Neben dem CO2 aus Verbrennung und  LKW Holztransporten gelangen - trotz Abgasreinigung - zusätzliche Schadstoffe in die Atmosphäre, genauer: in die Hauptwindschneise, also die Luftröhre der Stadt.

Abgesehen davon ist der sächsische Wald seit Jahrzehnten übernutzt, weshalb die Staatsregierung die wirtschaftliche Ausbeutung des Waldes zurückfahren möchte. Das Holz für das Kraftwerk kann dann nur von Kurzumtriebsplantagen kommen, also Monokulturen zur Holzgewinnung, oder über undurchsichtige weltweite Transportketten, die nicht selten in Urwäldern ihren Anfang haben.

Industrielle Holzverfeuerung heizt den Raubbau am Wald an.

Würde die eins auch Schnittgut aus Straßenbegleitholz verfeuern, was sie öfters angedeutet hat, würde aus der Holz- eine Müllverbrennung mit noch höherer Schadstoffemission. 

Die politische Rechtfertigung von Holzverbrennung als klimafreundlich ist zudem absurd: Das Argument "Ein Baum würde bei Verbrennung nur so viel emittieren wie er über sein jahrzehntelanges Leben gebunden hat" übersieht, dass bei Verbrennung dieses CO2 schlagartig emittiert wird, und dass der Baum mit  Fällung schlagartig  als "CO2-Entzugsmaschine" ausfällt. Jede Baumfällung für die  Verfeuerung macht also doppelten Schaden. Es ist das Gegenteil einer vernünftigen Klimapolitik, wenn Holzverbrennung auch noch subventioniert wird: Etwa durch einen absurd niedrigen Primärenergiefaktor. Letzterer müsste für Holz eigentlich viel schlechter sein als der von Braunkohle, emittiert doch Holz zur Erzeugung einer bestimmten Energiemenge etwa doppelt so viel CO2.

Unsere Ablehnung des Holzheizkraftwerkes und die Gründe haben wir bereits 2020 in 3 Blogartikeln zusammengefasst - diese sind weiterhin aktuell:

  1. Geplantes Holzkraftwerk in Chemnitz: Ineffizient und intransparent (parentsforfuture.de)
  2. Chemnitzer Holzkraftwerk der eins: Woher kommt das Holz? (parentsforfuture.de)
  3. Neues Chemnitzer Holzkraftwerk: Wie gut ist Holzverbrennung fürs Klima? (parentsforfuture.de)

Die Chemnitzer Energieversorgung am Scheideweg

Sie steht deshalb am Scheideweg, weil das Holzheizkraftwerk noch nicht gebaut ist, und weil eins energie noch mit der Ausschreibung befasst ist. Sind jedoch Verträge unterzeichnet, dann ist es zu spät, dann bekommt Chemnitz einen klimaschädlichen und umweltverschmutzenden Energieerzeuger.

Es geht auch anders: Weshalb wir Großwärmepumpe statt Holzheizkraftwerk fordern.

Die eins muss also gleich aufs richtige Pferd, also die Wärmepumpentechnologie  setzen.

Warum Großwärmepumpe (GWP) statt Holzheizkraftwerk?

An der TU Chemnitz wurde Anfang 2023 eine Forschungsarbeit beendet die nachgewiesen hat, dass Chemnitz klimaneutral und ohne Holzheizkraftwerk mit Energie versorgt werden kann7.

Diese Arbeit, sowie die dazugehörige Präsentation befindet sich im Anhang.

Darin wird der Chemnitzer Fernwärme- und Stromsektor gemeinsam optimiert - eine überlegene Methodik gegenüber einer gleichartigen Studie des Umweltbundesamtes (UBA) für die Chemnitzer Wärmeversorgung, die den Fernwärmesektor isoliert betrachtet9. Beide Arbeiten, also die an der TU und des UBA wurden am 11.4.2023 auf dem Chemnitzer Diskussionsabend zur Fernwärme beleuchtet: Fernwärme für Chemnitz - sozial und nachhaltig (parentsforfuture.de)

Um ohne Holzheizkraftwerk auszukommen bedarf es für die Fernwärmeversorgung der Stadt einer bzw. mehrerer Großwärmepumpen, deren Gesamtleistung größer sein muss als die von eins bisher geplante8.  

Das folgende Bild stammt aus der Forschungsarbeit7 an der TU Chemnitz, und es zeigt den Lastgang, also den Chemnitzer Wärmeenergiebedarf über ein Jahr,  sowie dessen Deckung durch verschiedene Energieerzeuger im Zukunftsszenario "Großwärmepumpen-statt-Holz", mit kurzzeitiger Speicherung überschüssiger Wärme:

Lastgang und Erzeugungsprofil einer klimaneutralen Energieversorgung für Chemnitz ohne Holzkraftwerke

Das geplante Holzheizkraftwerk und das Holzheizwerk sind also überflüssig7.

Einzig die geplante Müllverbrennung (Waste to Heat, WtH), die hier rot dargestellt ist, erzeugt noch CO2 , um einen gewissen Wärmegrundbedarf zu decken. Momentan besteht eine gesetzliche Pflicht, nicht anders verwertbaren Restmüll zu verbrennen, so dass kurzfristig kein Weg an der Müllverbrennung vorbei führt. Um auch diese CO2-Emissionen abzubauen müssen Wärmebedarf und Müllaufkommen sinken: Energie und Müll einzusparen wird immer wichtiger. Langfristig sind andere, klimaschonendere Restmüllrecyclingverfahren zur Marktreife zu führen, etwa die Pyrolyse.

In der Forschungsarbeit wurde die Chemnitzer Energieversorgung mit dem Ziel minimaler Kosten unter den Randbedingungen "Klimaneutralität" und "teilautarke Versorgung von Chemnitz" optimiert.

Der integrierte und methodisch überlegene  Ansatz der Arbeit, den Chemnitzer Fernwärme- und Stromsektor gemeinsam zu optimieren statt nur den Fernwärmesektor kann jedoch so verändert werden, dass auf die Optimierungs-Randbedingung "Teilautarkie" verzichtet und nur "Klimaneutralität" zugrunde gelegt wird. Hierbei sind jedoch insbesondere die Annahmen zur Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff mit solchen Unsicherheiten belastet, dass klare Prognosen sehr schwierig sind. Allerdings zeigt sich bereits jetzt in nahezu allen Klimaneutralitätsszenarien für Deutschland, dass Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen in jedem Fall eine zentrale Rolle zukommen wird, da diese erneuerbaren Strom sehr effizient in Wärme wandeln können.

Auf dem Treffen von eins energie mit den Chemnitzer For-Future-Gruppen, das am 9.2.2023 in der Konzernzentrale stattfand, war festzustellen, dass der Weg, gleich auf Großwärmepumpen zu setzen nicht teurer ist als der von eins energie anvisierte Weg, 2 industrielle Holzverfeuerungsanlagen ans Netz gehen zu lassen.  

Daher unser Fazit und Aufruf an die eins:

Großwärmepumpe statt Pyromanie! 


Quellen

1 https://www.blick.de/chemnitz/trotz-energiekrise-versorger-haelt-am-braunkohle-ausstieg-fest-artikel12426443

2 https://www.deutschlandfunk.de/forscher-warnen-erdgas-ist-ein-klimaschaedling-genau-wie-100.html

3 https://www.eins.de/ueber-eins/energiepark-in-chemnitz/

4 https://web.archive.org/web/20231003042324/https://www.eins.de/ueber_eins/presse/presseinformationen/energieforum-2023-eins-und-fraunhofer-iwu-richten-internationale-fachtagung-zu-neuen-waerme-technologien-aus-zusammenarbeit-geht-weiter/

5 https://web.archive.org/web/20230906070248/https://www.eins.de/ueber_eins/presse/presseinformationen/neue-w%C3%A4rme-f%C3%BCr-chemnitz/

6 https://web.archive.org/web/20230606003652/https://www.eins.de/ueber_eins/presse/presseinformationen/eins-baut-aus-wirtschaftlichen-gr%C3%BCnden-doch-kein-holz-heizkraftwerk/

7 Eckhardt: Klimaneutrale und teilautarke Energieversorgung der Stadt Chemnitz. TU Chemnitz, 2023

8https://www.eins.de/ueber-eins/energiepark-in-chemnitz/ 

9 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/cc_08-2023_dekarbonisierung_von_energieinfrastrukturen.pdf

 

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