KLIMABEWEGUNG UND GEWERKSCHAFT – ZWECKBÜNDNIS FOR FUTURE?

KLIMABEWEGUNG UND GEWERKSCHAFT – ZWECKBÜNDNIS FOR FUTURE?

erschienen im Parents-Newsletter #25 (März 2023)

ÖPNV braucht Zukunft braucht Klimaschutz brauchtBei der globalen Klima-Demo am 3. März standen bei uns in Braunschweig neben der Bühne diesmal Linienbusse und eine große Gruppe von Menschen in gelben Ver.di-Westen. Es waren die streikenden Beschäftigten der Braunschweiger Verkehrs-AG. Der Streik im öffentlichen Nahverkehr wurde mit der Klima-Demo bewusst zusammengelegt. Das fanden viele nicht glücklich, denn ohne öffentliche Verkehrsmittel konnten manche gar nicht zur Kundgebung in die Innenstadt gelangen. Und die Beteiligung der Gewerkschaftsmitglieder am Demo-Zug wirkte letztendlich auch eher mager. Ist der Versuch, als Gewerkschaft und Klimabewegung an einem Strang zu ziehen, damit gescheitert?

Es war nicht das erste Mal, dass Gewerkschaften und Klimabewegung gemeinsam zu einer Demo aufriefen. Auch die Aktion „Solidarischer Herbst“ im Oktober 2022 hatte das Ziel, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz miteinander zu verknüpfen, damit beide Forderungen nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Auch beim „Solidarischen Herbst“ zeigte sich, dass es gar nicht so einfach ist, diese unterschiedlichen Interessengruppen unter einen Hut und genügend Menschen auf die Straße zu bekommen. Die Schwierigkeiten sollten uns aber nicht von der Notwendigkeit ablenken. Wir müssen die Kräfte nicht nur bündeln, um stärker zu sein, sondern weil die Themen wirklich ineinander verschränkt sind.

Nach der Energiewirtschaft und der Industrie trägt der Verkehrssektor in Deutschland laut Bundesumweltamt am meisten zu den Treibhausgas-Emissionen bei. Im Gegensatz zu anderen Bereichen ist hier bisher leider keine sinkende Tendenz zu erkennen.

Für die erforderliche Mobilitätswende benötigen wir – neben einer Stärkung des Fahrrad- und Fußwegenetzes – einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dafür müssen die personellen Probleme, die den Ausbau ausbremsen, gelöst werden:

  • In den nächsten Jahren müssen aufgrund des hohen Altersdurchschnitts der jetzigen Beschäftigten im ÖPNV 100.000 Stellen neu besetzt werden, nur um den jetzigen Bestand zu halten.
  • In den letzten Jahren wurde Personal abgebaut – trotz Zuwachs an Fahrgästen!
  • Die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich: mehr Überstunden, ausgedehnter Schichtdienst, kürzere Pausen, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
  • Die Folgen sind die, die auch aus anderen belasteten und mäßig bezahlten Berufsgruppen bekannt sind: hohe Krankheitsraten, hohe Fluktuation, Fachkräftemangel.

Auf dieser Basis wird es keinen Ausbau des ÖPNV geben können. Für einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr brauchen wir das nötige Personal – und zwar Menschen, die ihren Beruf gerne ausüben. Dies wiederum verlangt Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen, und eine Bezahlung, die der Verantwortung und den Herausforderungen, die z. B. eine Berufskraftfahrerin zu bewältigen hat, gerecht wird. Nur so wird dieser Beruf attraktiv sein, nur so wird der öffentliche Nahverkehr für die Fahrgäste zuverlässig, angenehm, bequem und eine echte Alternative zum motorisierten Individualverkehr werden.

Die Solidarität der Klimabewegung mit den Forderungen der Gewerkschaft und der Beschäftigten ist also völlig schlüssig und notwendig.

Sebastian Wertmüller, ver.di-Geschäftsführer im Bezirk Süd-Ost-Niedersachsen, blickt zufrieden auf die gemeinsame Demo zurück. Zahlenmäßig sei sicher noch Luft nach oben, aber dass eine solche gemeinsame Aktion überhaupt ermöglicht und durchgeführt wurde, sei schon ein Erfolg, auf den sich aufbauen lässt. Aus seiner Sicht sollte die Zusammenarbeit fortgesetzt werden.

Wir brauchen klimaneutrale Städte, und die erforderliche Transformation darf nicht auf Kosten der arbeitenden Menschen gehen. Im Gegenteil: Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit müssen zusammen gedacht werden, denn es geht um ein gutes Leben für uns alle. Das Bündnis zwischen Fridays for Future und den Gewerkschaften setzt hierfür ein wichtiges Zeichen.

Beitrag: Rike, P4F Braunschweig

 

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