Steckersolar: Klima schützen und Stromrechnung senken

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 7 September 2022
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Steckersolar: Klima schützen und Stromrechnung senken

Chemnitz, 11.9.2022

Nahezu jeder Haushalt kann ca. 10 bis 20 Prozent seines Strombedarfs mit Hilfe unserer Sonne kostenlos decken, die Stromrechnung entsprechend senken. Dazu benutzt man eine  Steckersolaranlage, auch bekannt als Balkonkraftwerk. Sie speist den Sonnenstrom direkt ins Stromnetz der Wohnung ein - auch "Einspeisebetrieb" genannt. Wir zeigen, wie das geht und was ihr beachten solltet. Steckersolaranlagen sind im Gegensatz zu anderen Ländern im bürokratischen Dickicht gefangen - auch das beleuchten wir.

Im Anhang des Blogartikels unten befindet sich der zusammenfassende Flyer.

Bei Präsentationen unseres Balkonkraftwerks trafen wir auf hohe Nachfrage bezüglich solar aufladbarer Notstromaggregate - weshalb wir einen Blogartikel zum sog. "Inselbetrieb" erstellt haben: https://www.parentsforfuture.de/de/inselanlage 

Update 13./18.9.2022: Ergänzung Kleingartenproblematik

Update 1.11.2022: Inselanlage verlinkt, Begriff Einspeisebetrieb eingeführt.

+++ UPDATE 14.1. / 12.3. / 07.11.2023:

Auf Initiative der Ampel-Regierung wird die Nutzung dramatisch vereinfacht, und der normgebende VDE ist nun umgekippt:

Damit ist der Weg frei, dass die weiter unten im Blog beschriebenen, unnötigen Hindernisse  nun aus dem Weg geräumt werden. Der VDE hat zwischenzeitlich gemeldet, dass die entsprechende Entschlackung der technischen Vorschriften bis Ende 2023 dauern wird.

Das entsprechend geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz tritt am 1.1.2024 in Kraft.

 

Was ist eine Steckersolaranlage? 

Im Gegensatz zu herkömmlichen, großflächigen Fotovoltaikanlagen, die der Umwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom dienen, und die sich meist auf Dächern befinden, ist eine Steckersolaranlage kleiner. Heißt, sie besteht aus maximal 2 "großen Standardmodulen", wie man sie auch auf "Solardächern" findet.

Die Module können an einer Balkonbrüstung angebracht, auf dem Balkon, einer Terrasse oder einem kleinen Garten sicher aufgestellt bzw. "aufgeständert", oder auf dem Dach einer Laube montiert werden. Zieht man um wird die Steckersolaranlage einfach demontiert und mitgenommen.

Die Bilder zeigen einen im Garten aufgeständerten, voll beschienenen Heckert-Solar-Modul Nemo 2.0, der - gleich in welchem Winkel ihn die Sonne beschienen hat - im Mittel 260 Watt elektrische Leistung liefert und nach 4 Stunden eine Stromernte von 1 kWh einfuhr. 

Solarmodul Modulleistung bei voller Sonneneinstrahlung Geerntete Energie nach 4 Stunden voller Sonneneinstrahlung auf den Modul

Bewölkung ließ die Leistung vorübergehend auf ca. 40 W sinken.

Um viel Strom zu ernten ist es am Wichtigsten, dass die Sonne die Module lang bescheint,  möglichst ohne Verschattung durch Bäume, Gebäude, aufliegende Laubblätter u.ä.

Wer mit Verschattung zu kämpfen hat sollte unbedingt verschattungsresistente Module ("hotspotfree") wählen wie die von AE Solar, deren Leistung bei Verschattung längst nicht so stark abfällt wie bei klassischen.

Um mit der Steckersolaranlage einen Teil des vom Versorger gekauften Stroms zu ersetzen muss man sie  mit einem Stecker an einer Steckdose elektrisch anschließen.

Beziehen z.B. alle elektrischen Geräte einer Wohnung an einem Tag 5 kWh Strom - ein durchaus gängiger Mittelwert für einen 4-Personen-Haushalt - dann werden vom Stromversorger 4 kWh gegen Geld bezogen, und mit Hilfe der Beispielanlage oben 1 KWh kostenlos von der Sonne.

Ohne Steckersolaranlage würde man vom Energieversorger 5 kWh Strom kaufen müssen.

Deutschlands Strom wird zur Häfte durch Treibhausgas ausstoßende Energieträger erzeugt1.

Mit einer Steckersolaranlage senkt man nicht nur die Stromrechnung, sondern sorgt auch dafür, dass die Energieversorger weniger treibhausgasschädlichen Strom verkaufen können - das entlastet unseren einzigen Planeten.

Wie stark kann ich meine Stromrechnung senken?

Grundregel: Je länger unsere Sonne die Module bescheint, um so mehr Strom kann kostenlos geerntet werden, und um so geringer fällt die Stromrechnung aus.

Die Höhe der Sonnenstromernte hängt ab von

  • geeignetem Aufstellungsort
  • den Sonnenscheinstunden
  • der Leistung der Steckersolaranlage

In Deutschland sind pro Steckersolaranlage, von der man "hinter einem Zähler" nur eine installieren darf, maximal 600 W erlaubt. Heißt 2 Module wie im Bild gezeigt.

Chemnitz hat im  Mittel von 2000 bis 2021 ca. 1700 Sonnenstunden jährlich2.

Mit 2 Heckert-Solar-Modulen wie im Bild oben lassen sich also in 4 Sonnenstunden 2 kWh elektrische Energie ernten - pro Jahr also ca.  850 kWh.

Da Sonnenstunde nicht gleich Sonnenstunde ist, und die Ernte z.B. von Verschattung und Temperatur abhängt sind 850 kWh / a optimistisch, realistisch ist etwa die Hälfte.

Ein durchschnittlicher deutscher 4-Personenhaushalt benötigt 4.000 kWh / a. Mit einer Steckersolaranlage lässt sich also die Stromrechnung bzw. die Abschlagszahlung um etwa 10% senken. Kleinere Haushalte mit ca. 2.000 kWh / a senken ihre Rechnung um ca. 20%.

Wobei der Spareffekt um so besser ausfällt, wenn man Großverbraucher im Haushalt benutzt, während die Sonne scheint: Geschirrspüler, Waschmaschine, Herd.

Wieviel kostet eine Steckersolaranlage?

Fertige Anlagen, die man nur noch montieren und an eine Steckdose anschließen braucht bekommt man ab ca. 500 € zuzüglich Kosten für Montage und Anfahrt für den Elektriker.

Die hier vorgestellte, aus normgerechten Einzelteilen zusammengestellte Anlage kostete ca. 500 €

  • 243 €   1 Stck. Heckert-Solar Nemo 2.0 60M AR (A) Black MC4
  • 190 €   1 Stck. AEConversion Microwechselrichter INV315-50 RF-DE
  •   17 €   1 Stck. Leitung 5m für Netzanschluss, kompatibel mit AEConversion
  • ~50 €   Kleinmaterial zum Aufständern, geeignetes Energiemeßgerät

Bei permanentem Anschluss und optimaler Aufstellung einer Anlage mit 1 Modul, der daraus folgenden Stromeinsparung von etwa 250 kWh / a, und ca. 30 ct / kWh Arbeitspreis der eins Energie spart man pro Jahr 75 €. Amortisation nach reichlich 6,5  Jahren.

Eine Anlage mit 2 Modulen ist knapp doppelt so teuer, die Stromeinsparung ist doppelt so hoch, bei gleicher Amortisationszeit. 

Ein kleiner Haushalt mit 2.000 kWh / a zahlt also, überschlägig, folgende Arbeitspreise in der jährlichen Stromrechnung:

  • 600 € ohne Steckersolaranlage
  • 525 € mit 300-W-Anlage, bestehend aus 1 Modul
  • 450 € mit 600-W-Anlage

Erlaubnisse und Anmeldungen

Als Mieter lassen sich die Module nur fest am Haus montieren bei Vermietererlaubnis.

Alternativ und erlaubnisfrei kann man die Module wie ein Außenmöbel aufstellen ("aufständern").

Ein Solartisch ist eine schnell herstell- und umräumbare Variante 14,15 .

Es gibt Kleingartenvereine, die untersagen, dass jegliche Fotovoltaikmodule in den Garten gestellt, oder auf Lauben montiert werden.

Steckersolaranlagen müssen Sicherheitsanforderungen erfüllen. Neben der statisch sicheren, wetter- und sturmfesten Montage der Anlage geht es  vor allem um die elektrotechnische Sicherheit.

Die Anlage muss im Marktstammdatenregister angezeigt werden: https://www.marktstammdatenregister.de/

Dem Netzbetreiber - in Chemnitz sind das die eins-Energie-Tochter inetz5  oder die Envia-M Tochter Mitnetz6 - ist die Anlage ebenfalls anzuzeigen. Wer ihn nicht kennt findet ihn hier im Suchfeld: https://stromausfall.de/map/

Elektrischer Anschluss

Grundvoraussetzung ist stets ein normgerechter Wohnungsstromkreis mit Sicherungsautomaten. Im Zweifelsfall kann das ein Elektriker feststellen.

Die Verbraucherzentrale rät  3,4, nur komplette, anschlussfertige Balkonsolaranlagen zu kaufen, welche die Sicherheitsnorm der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie DGS11 erfüllen: 

 

Logo DGS Norm für Steckersolargeräte

 

Hat eine solche Anlage einen Schukostecker, dann kann man ihn in eine einzelne, feste Schukosteckdose einer normgerechten Wohnungsinstallation einstecken, keinesfalls jedoch in eine Mehrfachsteckdose bzw. Steckerleiste.

Bei Schukosteckdosen im Freien ist darauf zu achten, dass sie mindestens Schutzart IP44  hat (Fachbegriff: Außen-/Feuchtraumdose). Bei normgerechtem Wohnungsstromkreis, der schon Außensteckdosen hat, ist das immer der Fall. 

Da das Kabel zwischen Solaranlage und Steckdose im Freien verläuft muss darauf geachtet werden, dass es eine Schlauchleitung vom Typ H07RN-F ist, die nicht durch UV-Licht und Ozon zersetzt wird. Was in der Regel gegeben ist, wenn man eine zum Wechselrichter passende Anschlussleitung kauft.

Beschafft man sich die Teile einer Anlage einzeln sollten die Angaben in den Herstellerunterlagen inhaltlich immer den einschlägigen Anforderungen der DGS entsprechen. 

Der Betrieb DGS-geprüfter Anlagen an normgerechten Wohnungsstromkreisen ist sicher: Es besteht weder Kabelbrand- noch Stromschlaggefahr, wie eine Studie des DGS in Kooperation mit der HTW Berlin und der Firma indielux zeigt9.

Der andere Normgeber - die DKE, eine Untergesellschaft des Vereins Deutscher Elektrotechniker VDE - verbietet den Schukostecker am Steckersolargerät: Ihm zufolge darf man eine Steckersolaranlage ausschließlich an eine spezielle Einspeisesteckdose mit Hilfe eines Einspeisesteckers anschließen, beides hergestellt durch die Firma Wieland. 

Im Bild ist links der Schukostecker, und rechts der Wieland-Stecker zu sehen:

Schuko- und Wielandstecker

Außerhalb Deutschlands ist der Schuko-Anschluss Gang und Gäbe.

Zudem fordert die DKE einen Zählertausch, falls man noch einen alten Ferrais-Zähler, erkennbar an dem drehenden Rad, hat. Obwohl die Messfehler dieser Altzähler viel größer sind als der von einer 600-W-Anlage eventuell zurück gespeiste Strom, der das Rad auch mal rückwärts drehen lassen könnte.

Leider ist eine Normungsvereinheitlichung zwischen DKE und DGS gescheitert bzw. auf halbem Weg stehen geblieben7.

Da Energieversorger als Hauptsponsoren des VDE nur die DKE Norm anerkennen muss der Verbraucher zusätzliche Hürden überwinden: Elektriker muss Wieland-Steckdose installieren und ggfls. Zählertausch. 

Außerdem gibt es bis Ende 2022 eine 70% Hürde: Laut Gesetz dürfen Anlagen nur 70% des Stroms einspeisen, es sei denn, sie sind per Lastmanagement durch Energieversorger schaltbar. Was  für große Anlagen gedacht war nutzen die Netzbetreiber mitunter, um Balkonanlagen mittels Strafzahlungen unwirtschaftlich zu machen13. Diese Drohgebäre ist völlig absurd: Pönalisierung ist gesetzlich überhaupt erst ab 2023 möglich für größere Anlagen ab 25kWp. Für Kleinanlagen unter 25kWp ist ab 2023 die 70% Hürde mit dem überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG Geschichte. Nicht auszuschließen ist, dass Versorger mit Stromabschaltung drohen, wenn sie einer, nach ihrem Verständnis "nicht normgerechten Anlage" habhaft werden.

 

Fazit

Für Verbraucherinnen bleibt einstweilen nur die Entscheidung:

Da in der momentanen Krisensituation Lieferketten unterbrochen und Energiepreise wie Nachfrage für Einspartechnologien explodiert sind bekommt man nirgends anschlussfertige Steckersolar-Pakete.

Man kann sich natürlich passende, normgerechte Bauteile einzeln beschaffen und  die Anlage nach DGS-Norm eigenverantwortlich zusammenbauen, anmelden und in Betrieb nehmen. Elektrotechnischen Laien ist aber davon abzuraten, diesen Weg ohne fachkundige Hilfe zu beschreiten.

Verbraucherfreundliche DGS- oder gar eigenverantwortliche Installation ist im Sinne der wirtschaftsfreundlichen DKE nicht normgerecht - aber kein Gesetzesverstoß! Und deshalb auch kein Ziviler Ungehorsam (obwohl es sich so anfühlt).

Solange es keine einheitliche Norm gibt besteht jedoch die Gefahr, dass Versicherer nur dann Risiken abdecken, wenn die DKE-Norm eingehalten wird.

Die Unsicherheit bei der Versicherung erschwert die Energiewende zusätzlich.

Nur die Politik kann das Normungspatt und die versicherungsrechtliche Falle auflösen, blockiert doch beides einen nicht zu unterschätzenden Faktor Energiewende.

Wir fordern deshalb von der Politik, das Positionspapier8 der DGS umzusetzen, insbesondere die Bagatellregelung der EU.

Außerdem ist im §1 Abs. 1 Bundeskleingartengesetz zu ergänzen, dass Eigenstromerzeugung nicht erschwert oder ausgeschlossen werden darf. Eigenstrom in Gärten soll vielmehr Teil einer nachhaltigen Naturbewirtschaftung sein.

 

 


Quellen

1 Strommix 2021: https://strom-report.de/strom

2 Sonnenstunden gesamt - Chemnitz - Klimarechner Deutschland (weatheronline.de)

3 https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/erneuerbare-energien/steckersolar-solarstrom-vom-balkon-direkt-in-die-steckdose-44715

4 https://www.pvplug.de/standard/

5 Anmeldeformular inetz: https://www.inetz.de/fileadmin/dokumente/03_Erzeugeranlagen/01_Anschluss_und_Parallelbetrieb/Anmeldung_steckerfertige_PVA_022022.pdf

6 Anmeldeformular Mitnetz: https://www.mitnetz-strom.de/netzanschluss/stromerzeugung/anschluss/anmeldung-einer-steckerfertigen-erzeugungsanlage-bis-600-w

7 https://www.heise.de/news/VDE-Einspeisesteckdose-fuer-Balkonkraftwerke-bleibt-vorerst-Pflicht-7126747.html

8 https://www.pvplug.de/positionspapier/

9 https://www.pvplug.de/wp-content/uploads/2017/05/pi-berlin.testreport.20170520.pdf

10 DKE Vorgaben Steckersolar: https://www.dke.de/de/arbeitsfelder/energy/mini-pv-anlage-solar-strom-balkon-nachhaltig-erzeugen

11 DGS Norm: https://www.pvplug.de/standard/

12 Installationshinweise der DGS: https://www.pvplug.de/faq/

13 https://www.giga.de/news/strafzahlung-fuer-balkonkraftwerk-haben-mini-solaranlagen-ein-problem/

14 https://www.heise.de/hintergrund/Der-Solartisch-und-die-gruene-Steckdose-7179286.html

15 https://www.solarklapptisch.de/solartische

 

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