Versicherer - Treiber der Klimakrise & Betroffene zugleich
erschienen im Parents-Newsletter #45 (Dezember 2025)
Wenn wir über Treiber der Klimakrise sprechen, denken viele an Energieunternehmen oder Banken. Weniger bekannt ist die Rolle der Versicherungswirtschaft. Sie zählt zu den größten globalen Investoren und investiert weiterhin auch in fossile Unternehmen. Zudem machen ihre Versicherungsleistungen viele fossile Projekte erst realisierbar. Gleichzeitig bekommen Versicherer die Folgen der Klimakrise durch steigende Klimaschäden selbst immer deutlicher zu spüren. Dieser Widerspruch zeigt: Versicherer tragen große Verantwortung – und nutzen ihren Einfluss bisher nur begrenzt.

Wie Versicherer fossile Projekte ermöglichen
In den letzten Jahren haben viele internationale Versicherer – darunter die deutsche Allianz, Munich Re, Hannover Re und Talanx/HDI – weitreichende Kohle-Ausschlüsse beschlossen. Dadurch finden neue Kohleminen kaum noch Versicherungsschutz, was die enorme Wirkung der Branche zeigt. Bei Öl und Gas bleiben Fortschritte jedoch unzureichend. Zwar versichern die genannten Unternehmen keine neuen Öl- und Gasfelder und keine neue Ölinfrastruktur, doch neue Gasinfrastruktur wie LNG-Terminals oder Gaskraftwerke bleibt versicherbar.

Recherchen des Rainforest Action Network belegen eine Beteiligung deutscher Versicherer an mehreren großen LNG-Exportterminals in den USA, die sowohl klimaschädlich sind als auch Umwelt- und Gesundheitsbelastungen für betroffene Gemeinden an der Golfküste verschärfen. So wird ein jahrelanges System des Umweltrassismus fortgeschrieben.
Klimafolgen treffen die Versicherer selbst
Während Versicherer fossile Risiken weiter ermöglichen, steigen die Kosten klimabedingter Schäden stark an. Munich Re meldete für 2024 globale Schäden durch Naturkatastrophen von 320 Mrd. US-Dollar, davon 140 Mrd. versichert. 2025 setzte sich der Trend fort: Bereits im ersten Halbjahr verursachten vor allem Waldbrände und Unwetter in den USA fast 80 Mrd. US-Dollar versicherte Schäden.
Auch in Deutschland nehmen Extremwetter zu, insbesondere Hochwasser. Das Pfingst- und Junihochwasser 2024 verursachte laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 1,8 Mrd. Euro versicherte Schäden. Die Ahrtal-Katastrophe 2021 bleibt mit über 180 Todesopfern, 11,55 Mrd. Euro versicherten Schäden und 30 Mrd. Euro staatlichen Hilfen eines der zerstörerischsten Ereignisse in Deutschland der jüngeren Geschichte.

Eine weltweite Versicherungskrise entsteht
Im Globalen Süden sind Menschen kaum versichert und tragen Schäden meist selbst, obwohl sie am wenigsten zur Krise beigetragen haben. Aber auch Industrieländer geraten unter Druck: In Teilen Australiens sowie in Kalifornien und Florida ziehen sich Versicherer bereits aus der Gebäudeversicherung zurück. Rückversicherer wie Munich Re oder Swiss Re erweitern zwar ihr Angebot zur Absicherung von Naturkatastrophen, warnen aber zugleich vor systemischen Grenzen. AXA-Ex-Chef Henri de Castries erklärte bereits 2015, eine 2-Grad-Welt sei vielleicht noch versicherbar, eine 4-Grad-Welt jedoch nicht.
Debatte in Deutschland: Wie sollen Elementarschäden künftig abgesichert werden?
Während Länder wie Frankreich, Spanien und die Schweiz mit öffentlich-privaten Systemen zur Absicherung von Naturkatastrophen auf rund 98 % Versicherungsabdeckung von Gebäuden kommen, ist die Lage in Deutschland lückenhaft. Zwar besitzen fast alle Hausbesitzenden eine Wohngebäudeversicherung, doch diese deckt weder Überschwemmungen noch Starkregen ab. Die notwendige Elementarschadenversicherung hat aktuell nur 57 % der Gebäude, oft aufgrund falscher Annahmen über bestehende Absicherung.
Seit der Ahrtal-Katastrophe wird auch wieder in Deutschland intensiv über ein öffentlich-privates Versicherungssystem für Elementarschäden diskutiert. Verbraucherverbände sowie die SPD-Bundestagsfraktion sind für ein System nach französischem Vorbild: Angebotspflicht auf Seiten der Versicherer zusammen mit der grundlegenden Gebäudeversicherung z. B. gegen Feuer, ein einheitlicher Aufschlag auf die Grundpolice und ein staatlicher Rückversicherer.
Das Modell gilt als solidarisch und kostengünstig; der Staat musste seit 1982 nur einmal mit 263 Mio. Euro einspringen. Die deutsche Versicherungsbranche dagegen lobbyiert für ein System ohne verbindliche Pflichten – Gewinne sollen privat bleiben, Verluste sozialisiert werden.
Webinar: Versicherungskrise in einer sich erhitzenden Welt
Versicherungsunternehmen sind mehrfach mit der Erderhitzung verwoben: Sie versichern fossile Projekte und investieren in klimaschädliche Konzerne. Gleichzeitig sind sie selbst betroffen und zahlen für Schäden, die durch die Erderhitzung verursacht werden.
Am 16.02.2026, 19:00 bis 20:30 Uhr
Per Zoom teilnehmen
mit Anna Lena Samborski von urgewald e. V.
Exkurs: EU-Ebene
Auch auf EU-Ebene treten Versicherer eher als Bremser auf und versuchen, Nachhaltigkeits- und Berichtspflichten abzuschwächen – genau jene Transparenz, die nötig wäre, um fossile Risiken sichtbar zu machen.
Forderungen
Versicherer müssen sich konsequent gegen neue fossile Projekte stellen und Ausschlüsse für Investitionen in und Versicherung von fossilen Unternehmen und Projekten etwa auf LNG-Terminals ausweiten. Für fossile Bestandskunden brauchen sie klare Ausstiegspfade. Die Politik sollte beim Aufbau eines öffentlich-privaten Systems zur Klimaschadenabsicherung Solidarität und Bezahlbarkeit priorisieren und Versicherer stärker in die Verantwortung nehmen – etwa nach französischem Vorbild.
Anna Lena Samborski, urgewald e. V.
Über Urgewald
„Follow the Money“ – seit 30 Jahren geht urgewald mit diesem Ansatz gegen umweltzerstörende und menschenverachtende Projekte vor. Die Kampagnen gegen Konzerne und Investoren zielen auf die Achillesferse vieler Vorhaben – die Finanzierung und Finanzdienstleistungen. Ohne Kredite, Investitionen und Versicherungen kein Kohlekraftwerk, kein Staudamm und keine Pipeline. Allerdings: Wer das Geld gibt, trägt Verantwortung für das Geschäft!
Mehrere bahnbrechende Ausschlüsse von Kohle, Öl und Gas bei Banken, Investoren und Versicherern wurden von urgewald angestoßen, etwa der weitgehende Kohleausstieg des Norwegischen Pensionsfonds und des Allianz-Versicherungskonzerns. urgewalds Datenbanken „Global Coal Exit List“ und „Global Coal & Gas Exit List“ listen die weltweite fossile Industrie auf und helfen, die Klimaziele von Paris zu erreichen.
