Unser Chemnitzer Umweltheld

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 8 September 2025
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UNSER CHEMNITZER UMWELTHELD

+++ Update 11.9.2025 +++
Lt. Angaben der Bibliotheksleitung wurden Medien "zur Aufarbeitung für die York-Bibliothek" abgeholt. Ob es für diese dahin verbrachten Artefakte eine Inventarliste gibt, und was die fachliche Entscheidungsgrundlage war, genau diese in den anderen Bibliotheksstandort zu übernehmen, und die anderen 95% der Allgemeinheit zur Selbstbedienung zu überlassen, ist unklar.

+++ Update 10.9.2025 +++

Hat die Plünderung der einzigartigen historischen Umweltbibliothek, als deren Eigentümer  sich die Stadt sieht, begonnen? Ein PKW mit Freiberger Kennzeichen fuhr mehrfach vor und holte Bücher ab. Also bevor Umweltvereine am 11.9.25 einen bevorzugten Zugriff erhalten. Am 18.9.25 sollten dann die Bestände zur Selbstbedienung den Bürgern zur Verfügung stehen. Statt eines Konzeptes, wie man die Bibliothek hätte dauerhaft retten können. So verfährt die Kulturhauptstadt 2025 mit ihrer Umweltkultur 🤦🏻‍♀️

 

Chemnitz, 9.9.2025

Die BUND Gruppe Chemnitz sowie Mitglieder der BUND Gruppen in Sigmaringen und Düsseldorf, der NABU Regionalverband Erzgebirge, das Klimabündnis Chemnitz, Parents for Future Chemnitz und Mitglieder Chemnitzer Kirchgemeinden haben Manfred Hastedt, einen ehemaligen Umweltaktivisten der DDR, der in dieser Rolle Verfolgter des SED-Regimes war, nach der Wende Chemnitzer Stadtrat und Leiter des kommunalen Umweltzentrums wurde, und der unter enormem Einsatz Chemnitzer Umweltprojekte anschob, für den Engagementpreis der Deutschen Umwelthilfe vorgeschlagen. Warum ihn die Gruppen nominiert haben, und was seine jüngsten Engagements sind - davon handelt dieser Blogartikel.

Manfreds Liebe zur Natur hat ihm "in jungen Jahren" - es war noch in der DDR - mit seinem Engagement in kirchlichen Umweltgruppen persönliche Bekanntschaft mit dem Repressionsapparat der Stasi eingebracht. "Aktionskreis Hastedt" - so betitelte die Stasi eine von ihm initiierte Igelüberwinterungsaktion 1980/81 mit Naturschutzhelfern des Kulturbundes der DDR und Vertreterinnen und Vertretern der kirchlichen Umweltgruppe. Manfred Hastedt wurde Rädelsführerschaft unterstellt, auf die 8 Jahre Gefängnis stand, und sie brachte ihm Einträge in Stasiakten (Operativer Vorgang, OV Biotop), geöffnete Briefe, Ladungen hinter die Gitter des Volkspolizeikreisamtes in der heutigen Hartmannstraße u.v.a.m. ein. Das System witterte eine Unterwanderung des staatlichen Kulturbundes, denn eine Zusammenarbeit mit kirchlichen Gruppen durfte es nicht geben.

Die politische Wende 1989 war nicht nur ein Sieg für Umwelt und Demokratie, sondern auch harte Aufbauarbeit: Im März 1990 wurde, auf Antrag u.a. von Manfred Hastedt, der Beschluss des Chemnitzer Runden Tisches umgesetzt, das Stasigebäude Henriettenstr. 5 in Chemnitz  per Schlüsselübergabe den lokalen Umwelt- und Demokratiegruppen zu übergeben. Die Engagierten fanden ein Haus voller Müll, zum Schreddern vorgesehene Akten, Panzerschränke, Abhörtechnik u.v.a.m. vor. Nach einer gewaltigen Entrümpelungsaktion von Manfred und seinen Mitstreiter*innen konnten wenige Wochen später erste Veranstaltungen stattfinden. Ersthilfe und Ausrüstung stellten westdeutsche BUND-Gruppen und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereit, zu denen noch heute enge Verbindungen bestehen.

Im 1. Chemnitzer Stadtrat nach der Wende war er Abgeordneter der Grünen Liga, und er wurde Leiter des kommunalen Umweltzentrums. Wie kaum ein anderer prägte er die Chemnitzer Umweltpolitik und schob unzählige Vorhaben an.

Nach der Wende war das Interesse an Umweltthemen enorm, wie die Nachlese "1 Jahr Umweltzentrum" belegt.

Der Stand des Umweltzentrums bei der Stadtobrigkeit wurde indes immer schwieriger: Unter dem OB Peter Seifert mussten 2004 die kommunalen Beschäftigten des kommunalen Umweltzentrums in abgelegene Verwaltungsgebäude umziehen. Das UWZ wurde enorm geschwächt.

Die folgende OB Barbara Ludwig erkannte jedoch die Wichtigkeit des Themas Umwelt wieder, sah das Umweltzentrum mit seinen Aktivitäten, der Belegschaft, dem Haus, der heimlich in der DDR begonnenen Umweltbibliothek, die sich im UWZ befindet, als zeithistorische, erhaltenswerte und zu stärkende Gesamtheit. Die Mitarbeiter*innen konnten zurück ins UWZ. Nach der Seifert'schen Schwächung sollten wieder verstärkt Impulse in die Stadtpolitik, die Stadtgesellschaft, die Stadtnatur und die Welt ausgehen.

Am 12./13.3.2025 strich der Stadtrat den Nebenkostenzuschuss für das Umweltzentrum - Miete wurde nie bezahlt. Die verbliebenen Mitarbeiterinnen mussten per 1.9.2025 ins technische Rathaus umziehen. Der Nebenkostenzuschuss war eine wichtige Stütze für den Trägerverein.  Damit betreibt die Stadt die Vertreibung der Umweltgruppen aus dem Haus auf dem Chemnitzer Kaßberg, das ein Filetstück auf dem lokalen Immobilienmarkt ist. Zum Glück wurde vor Jahren ein langlaufender Erbpachtvertrag zwischen Stadt und Trägerverein geschlossen, mit dem der Verein ein Vorkaufsrecht hat.

Manfreds aktueller Kampf ist folgerichtig der um den Erhalt des Umweltzentrums. Ein letzter Protest vorm technischen Rathaus, die kommunalen Mitarbeiter und die Umweltbibliothek im UWZ zu belassen, blieb leider erfolglos.

Wir haben den Hergang vom Stadtratsbeschluss bis zur Protestkundgebung, bei der die Stadt wieder mal ihre autoritären Züge zeigte, hier dokumentiert.

Unter OB Sven Schulze wurde nicht nur die Entscheidung seiner Vorgängerin zur strategischen Wichtigkeit des Umweltzentrums rückabgewickelt: Leider wird der SPD-Mann in die Chemnitzer Geschichte als Zerstörer der unbezahlbaren Umweltbibliothek eingehen, die ab 11.9.2025 gefleddert wird: zuerst dürfen sich Vereine bedienen, dann die Öffentlichkeit. 5% des Bestandes sollen in einem Standort der Stadtbibliothek am Stadtrand - im Yorkgebiet - unterkommen. Ursprünglich sollte das Tietz in der Chemnitzer Innenstadt Standort sein. Die Ausrede, die 5% des historisch wertvollen Bestandes nicht ins Tietz zu bringen, war: "kein Platz".

So lapidar endet eine Sammlung, die unter hoher persönlicher Gefahr in der Kirche angelegt wurde, und mutet wie ein später Sieg des DDR-Repressionsapperates an. Momentan sind in der Stadtgesellschaft Überlegungen im Gange, wie der zerstörten Umweltbibliothek ein Denkmal zu setzen sei.

Manfreds Einsatz für das Gemeinwohl, für die Umwelt, begonnen mit der illegalen Igelstation in der DDR, ist für uns so herausragend, dass er unter Führung des BUND und mit Unterstützung der oben aufgezählten Umweltgruppen bei der DUH für den Engagementpreis mit einer Laudatio und einer Unterstützungsschrift  * vorgeschlagen wurde.

Sollte ihn die DUH in die engere Wahl  nehmen dann heißt es zwischen 6.10. und 7.12.2025 für alle Chemnitzer*innen und Menschen des Umlandes: Voten, voten, voten für unseren Manfred Hastedt!


* Leider lagen bis Einsendeschluss 24.8.2025 bei der Deutschen Umwelthilfe nicht alle Logos der o.g. Unterstützergruppen vor. Das Chemnitzer Klimabündnis hat bislang kein Logo.

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