Klima-Monologe
erschienen im Parents-Newsletter #43 (September 2025)

„Wie oft kann man alles neu aufbauen?“, fragte sich das Publikum zusammen mit einer Mutter aus Bangladesch angesichts einer nicht abreißenden Serie von Zyklonen. Man fühlt mit, wenn eine Viehwirtschaft betreibende Pastoralistin im Norden Kenias aufgrund nie zuvor dagewesener Dürren um das Überleben ihrer Tiere ringt, für die Schulbildung ihrer Kinder sowie mit ihrer Familie gegen den Hunger kämpft. Dazu die Erlebnisse einer Krankenschwester, die nur knapp dem tödlichsten Flächenbrand in der Geschichte Kaliforniens entkommen konnte. Nicht nur die beiden Vorstellungen für Erwachsene und Schüler in Dortmund sind bestens besucht. Auch in zahlreichen weiteren Städten sind die „Klima-Monologe“ zu sehen. Jörg Weißenborn hatte Gelegenheit, mit dem „Mastermind“ Michael Ruf zu sprechen.
Frage: Besucht man deine Webseite zum ersten Mal, ist man zunächst überwältigt von den vielen Angeboten: Klima-Monologe, Asyl-Dialoge, dokumentarisches Theater, Wort und Herzschlag… Womit fing bei dir alles an?
Antwort: Mein erstes Theaterstück waren die Asyl-Monologe. Dies entstand 2011 – zu einem Zeitpunkt, als man über Flucht bzw. Asyl kaum bzw. sehr ignorant gesprochen hat. Ziel war es, von den Menschen hinter den Vorurteilen zu blicken und die Stimmen dieser Personen zu verbreiten.

Frage: Und wie hat es sich über die Jahre zu dem entwickelt, was es heute ist?
Antwort: Das Format hat sich über die Jahre nur wenig verändert. All meine Werke basieren auf sehr ähnlichen Interviews, die in eine dramaturgische Form gebracht werden. Ich erfinde nichts hinzu, verdichte die Interviews lediglich. Auch die sprachliche Ausdrucksweise bleibt beibehalten. Wortgetreues Theater. Die Asyl-Dialoge erzählen von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung. Bei den NSU-Monologen stehen die betroffenen Familien der Mordserie im Mittelpunkt. Die Mittelmeer-Monologe erzählen von der Flucht eben über das Mittelmeer; aber auch von Aktivist*innen, die dem Sterben etwas entgegensetzen wollen.
Frage: Dein aktuelles Programm heißt „Klima-Monologe“. Worum geht es da genau? Was ist dir wichtig zu transportieren? Arbeitest du mit Klima-/Umweltorganisationen zusammen?
Antwort: Die „Klima-Monologe“ erzählen vom Überleben einer Familie in Bangladesch nach Zyklon Aila, vom Kampf einer Pastoralistin gegen den Hunger aufgrund der Dürre im Norden Kenias, von einem Klimaaktivisten aus Pakistan, dessen eigenes Dorf am Fuße eines Gletschers überflutet wurde, und von einer Krankenschwester, die nur knapp dem tödlichsten Flächenbrand in der Geschichte Kaliforniens entkommen ist.
Drei der vier Geschichten sind aus dem globalen Süden. Gerade was in anderen Regionen der Welt die globale Erderwärmung bedeutet, ist hierzulande komplett unterbelichtet. Zu verstehen, welche enormen Konsequenzen die Klimakrise bereits heute für viele Menschen hat, ist mir ein besonderes Anliegen.

Frage: Wie kam der Kontakt zu Johora, Qabale und den anderen zustande?
Antwort: Der Kontakt zum pakistanischen Aktivisten wurde von Fridays for Future Pakistan vermittelt. Sehr oft werden wir von Klima-Organisationen eingeladen, in deren Stadt die „Klima-Monologe“ zu zeigen. In Deutschland sind dies häufig Akteure der for-Future-Bewegung.
Die kalifornische Interview-Partnerin wurde mir ebenfalls durch eine klimabewegte Person vermittelt.
Für die Interviewpartner*innen-Suche in Kenia und Bangladesch hatte ich Kontaktpersonen vor Ort, die in die betroffenen Regionen gefahren sind und Kontakte zu möglichen Interview-Partner*innen hergestellt haben. In diesen Ländern habe ich zunächst jeweils 20 Vorinterviews gemacht, bevor ich mich dann jeweils für eine Interview- Partnerin entschieden habe.
Frage: Du arbeitest mit vielen Menschen deutschlandweit zusammen. Wie koordinierst du das Ganze?
Antwort: Ein kleines, aber tatkräftiges Team, aktuell bestehend aus einer Bundesfreiwilligen und einer Werkstudentin, unterstützen mich. Das Netzwerk an Künstler* innen ist über 15 Jahre organisch gewachsen. Am wichtigsten ist – wie immer im Leben – der Aufbau persönlicher Beziehungen.

Frage: Angenommen, ich möchte dich für meine Stadt engagieren. Mit welchen Kosten muss ich rechnen, welche räumlichen und sonstigen organisatorischen Dinge muss ich bedenken?
Antwort: Uns ist wichtig, dass die beteiligten professionellen Künstler*innen möglichst fair bezahlt werden. Des Weiteren gibt es nicht eine bestimmte Kostenhöhe, sondern das Budget orientiert sich auch ein Stück weit an den jeweiligen Möglichkeiten. Natürlich spielen wir gerne in einem Theater, weil dort auch die ganze Technik vorhanden ist. Aber an sich kommen wir ohne Bühnenbild aus und benötigen auch nicht viel Platz. Die Idee ist, die „Klima- Monologe“ an jedem Ort und zu jeder Zeit darbieten zu können. Auch können wir – je nach Anlass – einzelne Monologe oder Songs herausgreifen und performen.
Wir bieten seit kurzem für Schulklassen Klassenzimmer- Aufführungen plus pädagogischer Workshops an. Für eine bestimmte Zahl solcher Klassenzimmer-Darbietungen haben wir Fördergelder und können dieses Angebot kostenfrei anbieten. Also meldet euch so schnell wie möglich. Das Angebot gilt „solange der Vorrat reicht“.
Frage: Wie kann ich mir den ganz privaten Michael Ruf vorstellen?
Antwort: Wenn man sich beruflich viel mit so schwierigen Themen beschäftigt, dann ist ein gewisser Ausgleich wichtig. In meiner Freizeit spiele ich Boule und singe mit Begeisterung in einem Chor.
Frage: Du hast sicher schon viele bewegende, inspirierende Erlebnisse auf und neben den Bühnen gehabt. Lässt sich da etwas besonders hervorheben?
Antwort: Es ist schwer, da etwas herauszugreifen. Aber ich bin immer wieder völlig erstaunt, wie mich eine Geschichte packt und berührt, auch wenn ich diese schon dutzende Male gehört habe.
Frage: Was wünschst du dir für die nähere Zukunft?
Antwort: Was unsere Arbeit angeht, wünsche ich mir die Geschichten meiner Theaterstücke auch in anderen Ländern verstärkt zu verbreiten. In Österreich und Frankreich haben wir bereits einen Anfang gemacht und wollen nun nachlegen. Letztendlich bin ich – trotz vieler Rückschläge – sehr motiviert, einen Beitrag zu leisten für den Erhalt der Demokratie, gegen Rassismus und gegen die Klimakrise.
Frage: Wie können Interessierte mit dir in Kontakt treten?
Antwort: Ganz einfach – alle Infos gibt‘s bei wort-und-herzschlag.de
Weitere Informationen
- Dokumentarisches Theater: Wort und Herzschlag
- Volles Haus: Die Klima-Monologe in Dortmund