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Umweltbibliothek Chemnitz
Von der Entstehung zur Auflösung
Chemnitz, 14.9.2025
Im Zusammenhang mit dem Rückzug der Stadt Chemnitz aus dem Umweltzentrum wurde die zeithistorisch einzigartige Umweltbibliothek aufgelöst. Wir beschreiben Entstehung, Bedeutung, Übernahmeversuche, Auflösung. Der <tbd>Offene Brief</tbd> verschiedener Umweltgruppen befindet sich als PDF-Anhang am Ende des Blogartikels.
Entstehung und Bedeutung
Die Umweltbibliothek ist eng mit dem ehemaligen Karl-Marx-Städter, bzw. Chemnitzer Umweltaktivisten Manfred Hastedt verbunden, dessen Wirken in der kirchlichen Umweltbewegung der DDR begann.
Die Umweltbibliothek hat eine längere Geschichte:
Der Aufbau wurde zu DDR-Zeiten in privater Initiative unter dem Dach der evangelisch-lutherischen Trinitatisgemeinde in Karl-Marx-Stadt begonnen. Es sollte etwas ähnliches entstehen wie die Umweltbibliothek in der Zionskirche in Berlin. Die Vollendung des Projektes scheiterte jedoch an Zersetzungsmaßnahmen der Staatssicherheit, wie Schüren von Differenzen, Misstrauen und Ängsten.
Im Zuge der politischen Wende in der DDR konnte - dank einer Initiative am Runden Tisch in unserer Stadt am14.2.1990 - mit viel Privatengagement und einem neuen, demokratischen Selbstverständnis im Zeichen bürgerschaftlicher Kreativität ein Umweltzentrum als öffentliche Einrichtung aufgebaut werden.
Dazu gehörte von Anfang an eine Umweltbibliothek.
Diese hatte als Grundstock Bücher und Zeitschriften von Privatpersonen der ehemaligen kirchlichen Umweltgruppen sowie Spenden von BUND-Initiativen u.a. aus Sigmaringen, Düsseldorf und Bielefeld, welche die Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen Umweltgruppen organisiert hatten. Auch ein sogenanntes Dritte Welt-Archiv gehörte dazu. Über die Jahre wurden systematisch neue Bücher und Zeitschriften dazu gekauft.
Übernahmeversuche und Auflösung
Bereits 1990 wollte die Stadtbibliothek die Umweltbibliothek übernehmen, was von den engagierten Bürgerinnen und Bürgern abgelehnt wurde.
Später, 2004 unter Oberbürgermeister Seifert war es wieder so weit, dass die Umweltbibliothek ausgelagert werden sollte. Zunächst war dafür das Technische Rathaus, später die Stadtbibliothek vorgesehen.
Damals war es noch selbstverständlich, dass die Umweltbibliothek als Fachbibliothek mit seiner Entstehung im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution zusammenbleiben muss und einen würdevollen Platz im DAStietz - dem Chemnitzer Kulturhaus - erhalten sollte.
Am 12./13.3.2025 wurde im Chemnitzer Stadtrat mit den Stimmen des SPD Oberbürgermeisters Sven Schulze, zweier rechtsradikaler Parteien sowie der CDU/FDP-Fraktion das Aus des Engagements der Stadt im Umweltzentrum, sowie die Auflösung der Umweltbibliothek beschlossen. Ein Stadtrat einer rechtsradikalen Partei, eine CDU-Stadträtin, 2 Fraktionslose, SPD, Grüne, Linke und BSW stimmten gegen das Aus.
Das "Konzept" der Stadt Chemnitz zur Bibliotheksauflösung sah vor:
- 5% des Bestandes soll in die Zweigstelle der Stadtbibliothek des stadträndigen York-Centers gebracht werden. Wann genau war unklar, lediglich die Schließung der Bibliothek zum Jahresende 2025 stand fest.
- Am 11.9.2025 sollten zwischen 14 und 18 Uhr Umweltverbände aus ihrer Sicht wichtige Bestände sichern. Als ob 4 Stunden reichten, Bestände zu sichten.
- 18.9.2025 Freigabe der Restbestände an Bürger zur Selbstbedieunung.
Die fachliche Entscheidungsgrundlage und die Inventarliste, welche Bücher zu den 5% gehören, die von der Stadtbibliothek übernommen wurden, ist unbekannt.
Laut zweier Zeugenberichte fuhr am 10.9.2025 unerwartet und mehrfach ein PKW mit Freiberger Kennzeichen vor, und es wurden Bibliotheksartefakte eingeladen. Einen Tag später kam auf Nachfrage bei der Stadtbibliotheksleitung heraus, dass "Medien zur Aufarbeitung für die York-Bibliothek" abgeholt wurden.
Fazit
Statt eines Konzeptes, wie man die zeithistorisch unschätzbare Bibliothek hätte gesamt- und dauerhaft retten können, wird sie aufgelöst.
So verfährt die Kulturhauptstadt 2025 nicht nur mit ihrer Umweltkultur, sondern der demokratischen Tradition, die in der DDR auch bei Umweltaktivisten ihren Ursprung hatten, die unter persönlicher Gefahr aktiv waren und "illegal" die Umweltbibliothek anlegten.
Dass die Umweltbibliothek zerfleddert wurde, muss auf viele Wendeakteure wie eine späte Rache derer wirken, die 1989 gegen eine solche Einrichtung waren, und die nun doch noch einen Sieg davontragen.
Man kann nun bei Bedarf sehen, wo sich die nächste Umweltbibliothek in Ostdeutschland befindet, wenn man auf der Suche nach systematisch gesammelter Umweltliteratur ist. Der Restbestand von 5 Prozent der Umweltbibliothek im Chemnitzer York-Center mutet regelrecht als eine lächerliche Aktion an.
Vielleicht gibt es auch einen neuen Versuch in den Kirchen eine solche Umweltbibliothek wieder aufzubauen?
Ein Bedarf besteht sicherlich.
Denn nur was man kennt kann man auch schützen.
Es wird der Natur und Umwelt auch bestimmt nicht besser gehen, wenn Umweltthemen in der Regierung keine Priorität mehr haben und nur noch als Last denn als Zentrum bei der Sicherung einer nachhaltigen Zukunft begriffen werden.