Einspruch gegen tschechisches Atomkraftwerk
Chemnitz, 14.7.2025
Der BUND, Greenpeace und Parents for Future haben beim Umweltminister der Tschechischen Republik Einspruch gegen die Errichtung eines Atomkraftwerkes am südlichen Fuß des Erzgebirges eingelegt.
Das Atomkraftwerk Erzgebirge in Tschechien
Die Tschechische Republik plant nahe Komotau ein Atomkraftwerk zu bauen, 17 km von Sachsens Grenze entfernt. Und nahe des Flusses Ohre, der in die Elbe mündet.
Es handelt sich dabei um einen Small Modular Reactor SMR: ein "Miniatomkraftwerk".1 Der Ansatz ist eine Alternative zu herkömmlichen atomaren Großkraftwerken, der auf ineffizientere Weise (!) nur einen Teil der Energie liefert. SMR sollen - so die Theorie - fabrikmäßig hergestellt werden, klein und standardisiert erricht- und betreibbar sein so nach dem Motto: "Jeder Region und jeder Stadt ihr Atomkraftwerk."
Die technischen Risiken der SMR sind jedoch die gleichen wie bei herkömmlichen Großreaktoren, basieren sie doch auf gleichen Funktionsprinzipen bzw. Reaktortypen.
Der bislang führende SMR Fabrikant NuScale in den USA hat die Herstellung aufgegeben: Die Strompreise, die verlangt werden müssten, um SMR herzustellen und zu betreiben, wären am Markt nicht erzielbar. Weshalb NuScale nun auf Windkraft setzt.
Falls SMR je wirtschaftlich würden müssten hohe Stückzahlen produziert und weltweit abgesetzt werden, inclusive der Atombrennstoffe. Zusammen mit der geringeren Effizienz entsteht noch mehr Atommüll, zusätzlich zum atomar belasteten Baumaterial, wenn das Kraftwerk zurückgebaut werden muss. Ganz zu schweigen vom erhöhten Risiko, dass Atommaterial in falsche Hände gerät (Proliferation). Es ist klar, dass bei zehntausenden weltweiten SMR das Proliferationsrisiko erheblich höher ist als bei wenigen Atomgroßkraftwerken.
Was passiert beim GAU?
GAU ist der Größte Anzunehmende Unfall bei einem Atomkraftwerk2, bei dem unkontrolliert Radioaktivität in die Umwelt gelangt. Die Störfälle3 Tschernobyl und Fukushima waren Super-GAUs. Die Unbewohnbarkeitszone von Tschernobyl beträgt 30 km um den Reaktor herum wegen radioaktiver Verseuchung. Käme es beim geplanten tschechischen Erzgebirgs-AKW zu einem solchen Störfall, reichte die Unbewohnbarkeitszone fast bis Chemnitz. Seiffen, Olbernhau, Marienberg, Annaberg-Buchholz lägen mitten drin, wie diese Grafik zeigt:
Sollte Radioaktivität den Fluss Ohre, an dem das Atomkraftwerk liegen soll, verseuchen, dann gelangt das verstrahlte Wasser in die Elbe und verteilt sich entlang des Flusslaufes über Dresden, Magdeburg bis Hamburg.
Die Energiewende in Tschechien
Im Vergleich zu Sachsen, das erst 2038 aus der Braunkohleverstromung aussteigen will und das erneuerbare Energien - speziell Windräder - blockiert, hat das ärmere Tschechien viel ambitioniertere Pläne4,5:
- Kohleausstieg spätestens 2033
- Müll- und Holzverbrennung im Großkraftwerksmaßsstab bezeichnen sie als Irrweg (soviel Holz und Müll gibt es gar nicht um damit den Energiebedarf zu decken)
- massiver Ausbau Erneuerbarer mit PV, Windkraft, lokaler Geothermie, Energieeinsparung und Energiespeicherung für "Dunkelflauten"
- Energiemix aus Erneuerbaren, Atomkraft, Erdgas als Brückentechnologie und Stromimporten
- Substitution von Erdgas durch Biogas und Wasserstoff
- Es läuft bereits ein Elektrolyseuer, der mit Fotovoltaik grünen Wasserstoff herstellt.
Gerüchte um das Erzgebirgs-AKW
Der Behauptung sächsischer Befürworter des Erzgebirgs-AKWs, ohne das Kraftwerk würden die tschechischen Kohlekraftwerke nicht abgeschaltet und weiter die Luft verpesten: Falsch! Tschechien will bis 2033 aus der Kohle aussteigen, das Erzgebirgs-Atomkraftwerk wird aber erst 2038 bis 2040 in Betrieb gehen.
Angeblich gibt es ein Einverständnis von Olbernhau für das Atomkraftwerk. Die Stadt Olbernhau hat jedoch keinerlei diesbezügliche Aussage gemacht.
Ist Atomkraft eine Alternative?
Das Thema Atomkraft zur Absicherung der Energiewende wird kontrovers diskutiert7, weil beim Betrieb von Atomkraftwerken - im Gegensatz zur Erstellung, Beseitigung, der Herstellung und Entsorgung von Atombrennstoffen - kaum Treibhausgase anfallen.
Die Kosten für neue Atomkraftwerke sind exorbitant hoch, ihr Bau dauert viel zu lange. Allein der Neubau von Hinkley Point C in Großbritannien10 benötigt 100 Mrd £ an staatlicher Subvention, die Kosten bis Inbetriebnahme explodieren von zunächst angenommenen 16 Mrd £ auf das ca. 3-fache. Dieses Geld wäre für die Dekarbonisierung der Energieerzeugung wesentlich effektiver investiert, würde es in Windkraft, PV, Speicher und Netze fließen.
Verbrennung von Kohle, Gas, Öl sind Klimakiller. Keine neu gebauten, sondern lediglich laufzeitverlängerte Atomkraftwerke haben eine ähnlich gute Treibhausgasbilanz im Betrieb wie Erneuerbare9.
Einschränkend muss man sagen, dass Atomkraft nie eine tragende Rolle in der weltweiten Elektroenergieversorgung spielte, ihr Anteil sinkt beständig und liegt mittlerweile bei unter 10%. Allein um den 10% Anteil zu halten müssten weltweit - angesichts der notwendigen Stilllegungen - eine Unmenge neuer Reaktoren zu enormen Kosten gebaut werden. Zu bedenken ist, dass Laufzeitverlängerung kein Allheilmittel ist, denn veraltete Reaktoren werden mit der Zeit zu einem immer größeren Risiko.
Egal ob neue Atomkraftwerke oder laufzeitverlängerte: Sie bleiben eine Hochrisikotechnologie, deren Risiken und Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen8.
Statt neue Atomkraftwerke zu bauen muss der Ausbau Erneuerbarer, der Netze, der Speicher, sowie die Energieeinsparung beschleunigt werden.
Stellungnahme des Klimabündnisses Chemnitz und Umgebung
Im Anhang dieses Blogs befindet sich der Protestbrief von BUND, Greenpeace und Parents for Future an den tschechischen Umweltminister mit der Forderung, das Erzgebirgs-Atomkraftwerk nicht zu bauen, um die Atom-Risiken zu vermeiden, und um noch stärker auf Erneuerbare zu setzen.
Quellen
1 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Small_Modular_Reactor
2 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Auslegungsstörfall#Super-GAU
3 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Unfällen_in_kerntechnischen_A…
4 https://deutsch.radio.cz/ziel-dekarbonisierung-energiekonzern-cez-will-…
5 https://deutsch.radio.cz/geplanter-kohleausstieg-2033-ist-tschechiens-e…
6 https://green-planet-energy.de/blog/energiepolitik/warum-atomkraft-kein…
7 https://www.deutschland.de/de/topic/umwelt/atomkraft-fuer-den-klimaschu…
8 https://green-planet-energy.de/blog/energiepolitik/warum-atomkraft-kein…
9 https://www.derstandard.de/story/2000131620380/brauchen-wir-kernkraft-f…
10 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Hinkley_Point#Planung_und…